Zum vierten Mal fanden heuer die Obertöne Kammermusiktage im Bernardisaal des Stiftes Stams statt. Ein feines kleines Festival, das nicht nur Musikliebhaber sich vormerken sollten.
Skisprunglegende Toni Innauer, Obmann des Vereins Obertöne, mit den künstlerischen Leitern Mariya Nesterovska und Hubert Mittermayer Nesterovskiy; Foto: © Obertöne
Stift Stams ist ja an sich schon einen Besuch wert – und von Innsbruck aus in einer knappen halben Stunde zu erreichen. Das Kloster, 1273 von Meinhard II. von Görz-Tirol und seiner Frau Elisabeth von Bayern gegründet, ist eine weitläufige und prächtige Anlage, die zwei markanten Zwiebeltürme sind weithin sichtbar, das gesamte Ensemble eine kultur- und kunsthistorische Kostbarkeit.
Voller Saal beim Auftakt der Obertöne Kammermusiktage 2017; Foto: © Susanne Gurschler
Prachtsaal voller Leckerbissen
Der Freundeskreis des Stiftes veranstaltet immer wieder hochkarätige Konzerte, Lesungen oder Vorträge. Mit dem seit 2014 stattfindenden Obertöne Kammermusiktagen haben die Musiker Mariya Nesterovska und Hubert Mittermayer Nesterovskij in Kooperation mit dem Stift und dem Freundeskreis ein Festival ins Leben gerufen, das ein hochkarätiges Event im kammermusikalischen Bereich bietet. Auch heuer standen wieder echte Leckerbissen auf dem Programm und als besonderes Highlight ein Abend mit dem großartigen Schauspieler Karl Markovics, spätestens seit seiner Rolle als Salomon Sorowitsch im Oscar-gekrönten Film „Die Fälscher“ auch international bekannt.
„Die Geschichte vom Soldaten“ – Karl Markovics begleitet vom Radix Chamber Ensemble; Foto: © Susanne Gurschler
Reise durch Jahrhunderte
Das Konzept der beiden künstlerischen Leiter: Sie switschen in ihrer Programmierung durch die Jahrhunderte, verbinden Alte Musik mit Zeitgenössischem und nehmen die Zuhörer auf eine Reise voller musikalischer Kleinode mit – von Joseph Haydn bis Werner Pirchner, von Georg Philipp Telemann bis Astor Piazzolla, von Dieterich Buxtehude bis György Ligeti (ein paar Höreindrücke gibt’s hier, hier oder hier). „Wir wollen unserem Publikum das Gefühl geben, diese Musik hat etwas mit ihm zu tun, mit dem Heute“, erklärt Hubert Mittermayer Nesterovskij.
Den Rahmen für das junge, engagierte Festival bietet der barocke Bernardisaal des Stiftes: herrliche Wandmalereien vom Boden bis zur Decke, in der eine Galerie eingelassen ist.
Die Decke des wunderbaren Bernardisaal mit Galerie; Foto: © Susanne Gurschler
Hier tritt das „Radix Chamber Ensemble“, das sich rund um die beiden künstlerischen Leiter gebildet hat, als Ensemble in Residence und in unterschiedlicher Besetzung auf. Der Raum bietet eine hervorragende Akustik und hat genau die richtige Größe für familiäre, intime Konzerte, die auf Augenhöhe mit dem Publikum stattfinden.
„Es geht um die Spielenden und die Zuhörenden, um die gemeinsame Lust am Ausprobieren“, so Hubert Mittermayer Nesterovskij. Jedem Konzertabend einen überraschenden Dreh, eine Wendung zu geben und damit eine spannende Geschichte zu erzählen, nicht im Erwartbaren zu bleiben, sondern die Zuhörer auf eine Reise mitnehmen, das will dieses Ensemble.
Das Ensemble in Residence tritt in unterschiedlicher Besetzung auf. Foto: © Susanne Gurschler
Vom Soldaten zum Teufel
Ein besonderes Highlight war heuer „Die Geschichte vom Soldaten“ des russischen Komponisten Igor Strawinsky – ein Stück für sieben Instrumentalisten, einen Vorleser, zwei Schauspieler und zwei Tänzer, gegliedert in zwei Teile und uraufgeführt 1918. Karl Markovics war für die Festivalleiter die Wunschbesetzung, er sofort einverstanden, als sie anfragten.
Karl Markovics faszinierte bei den heurigen Obertöne Kammermusiktagen. Foto: © Susanne Gurschler
In dieser Moritat geht es um einen Soldaten, der mit seiner Geige auch seine Seele an den Teufel verkauft, das Instrument schließlich zwar mit einer List zurückerlangt, am Ende aber doch in der Hölle schmort.
Markovics erzählt aus der Perspektive des Soldaten, schlüpft in die Rolle aller Beteiligten und hebt damit die Distanz auf, die ein neutraler Erzähler einnehmen würde. Einfach mitreißend, wie er binnen Sekunden vom etwas unbedarften Soldaten zum raffinierten Teufel mutiert, packend, wie er den vom plötzlichen Reichtum geblendeten, zusehends nachdenklichen, mit sich und seinem Schicksal hadernden Soldaten zeigt, der schließlich sein Schicksal in die Hand nimmt. Packend, wie er den Teufel mimt, der zunächst triumphiert über den Soldaten, sich von diesem aber überlisten lässt, um am Ende doch zu siegen – musikalisch wunderbar unterstützt vom Ensemble.
In Sekundenschnelle wechselte der Schauspieler die Rollen. Foto: © Susanne Gurschler
Zum Schluss: Whisky Bar
Die Zugabe, ganz im Sinne des Festivals, eine Überraschung: Karl Markovics intoniert den „Alabama Song“ (Whisky Bar) des deutschen Autors Bert Brecht in seiner bekanntesten Coverversion – die der Kultband The Doors. Ansteckend, die Freude, mit der Markovics das Lied interpretiert, das Ensemble ihn durch den Song begleitet – und so mancher im Publikum leise mitsingt.
1 Stunde 45 Minuten (mit Pause) erstklassige Unterhaltung. Beschwingt fahre ich nach Hause, in der Gewissheit, den Obertöne Kammermusiktagen in Stams auch nächstes Jahr wieder einen Besuch abzustatten – oder zwei.
Obertöne Kammermusiktage
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