
Das Jahr 2025 hält für die Schützenvereine der Alpenregion zahlreiche Jubiläen bereit. Diese Feste gilt es zu feiern, wie sie fallen: 75 Jahre Bestehen des Bundes der Tiroler Schützenkompanien sowie des Tiroler Landesschützenbundes werden ebenso zelebriert wie 50 Jahre Alpenregion der Schützen. Unter dem Motto „Unsere Leidenschaft ist Tirol“ findet nicht nur ein Großes Landesschießen von 12. April bis 15. Juni 2025 an 25 Schießständen im ganzen Land, sondern auch ein Festakt am 10. Mai 2025 in Innsbruck statt.
Traditionsvereine Schützenkompanien
Die Schützenkompanien stehen für Brauchtum und Tradition. Die geschichtlichen Wurzeln liegen in der militärischen Landesverteidigung, doch das ist lange her. Heute steht das Brauchtum im Vordergrund und der Fokus wird auf die (Achtung, diese Formulierung gibt es tatsächlich:) „geistige“ Landesverteidigung gerichtet.
In Tirol ist – auch heute – kaum ein traditionelles Fest ohne ihr Aufmarschieren und Mitwirken denkbar. Als Dorfkind weiß ich, dass die Schützen zum Landleben unbedingt dazugehören und dass Vereine ganz generell eine wesentliche Rolle für ein Miteinander in der Gesellschaft einnehmen.
Ausrücken in Uniform – warum?
Als Kind war mir der „Zweck“ gewisser Vereine nicht ganz klar, wenn dieser nicht, wie zum Beispiel bei der Feuerwehr, auf der Hand lag. Die Schützen waren so ein schwieriger Fall. Dass mein Vater ein Vereinsmitglied bei den Schützen wurde, machte das alles nicht einfacher. Ganz ehrlich: Ich war kein Fan. Die blöden Sprüche über die Schützen – ich kenne sie alle.
Inzwischen bin ich endlich erwachsen und weiß um die respektablen Grundsätze der Schützenkompanien, die da sind (Zitat): ein christliches, abendländisches Weltbild, der Einsatz für die Anliegen der angestammten Heimat und das Volkstum, kameradschaftliche Banden über politische Grenzen hinweg sowie die Erhaltung des Brauchtums. Nach wie vor tu ich mich schwer damit, dass eine Kompanie voller Männer regelmäßig Waffen in die Kirche trägt. Noch immer passt das nicht in mein pazifistisches Friedensbild. Doch natürlich habe ich mich mit dem Verein „arrangiert“ und, so ehrlich muss ich sein, auch mir würden die Salutschüsse bei Prozessionen fehlen.
Szene aus dem Riesenrundgemälde, das an die Tiroler Freiheitskämpfe von 1809 erinnert. (Foto: © Innsbruck Tourismus)
Jahrhundertelange Geschichte
Dass die Tiroler Freiheitskämpfe von 1809 für die Tiroler Schützen wichtig und prägend waren, liegt auf der Hand. Tatsächlich reichen die Wurzeln aber deutlich weiter zurück. Und zwar nicht nur bis zum Tiroler Landlibell von 1511, in dem Kaiser Maximilian I. festlegte, dass die Landstände zur Verteidigung der Landesgrenzen Kriegsdienst zu leisten hätten, sondern hinein bis ins Mittelalter zur ständischen Verfassung von 1323.
Jetzt frage vermutlich nicht nur ich mich, warum bei einer so langen Geschichte heuer „nur“ 75 bzw. 50 Jahre gefeiert werden. Nun, die diesjährigen Jubiläen betreffen nicht die einzelnen Kompanien, sondern die Dachorganisation, die diese verbindet. Und dieser Verbund entstand erst nach einem dunklen Kapitel: Die Tiroler Schützenvereine wurden in der NS-Zeit von 1938 bis 1945 von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke und zur ideologischen Beeinflussung der Bevölkerung instrumentalisiert. Diese Zeit wurde im Bund der Tiroler Schützenkompanien umfassend aufgearbeitet. Dazu entstand das Buch „Die Tiroler Schützen in der NS-Zeit 1938–1945“ des renommierten Historikers Dr. Michael Forcher.
Neustart 1950
Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Neustart für die Schützen definitiv notwendig. Und dieser erfolgte im April 1950 mit der Gründung des Dachverbandes, dem Bund der Tiroler Schützenkompanien. Dieser Bund umfasst heute etwa 17.000 Mitglieder in 235 Kompanien. Das 75-jährige Bestehen wird heuer groß zelebriert.
Alpenregion der Schützen
25 Jahre später, im April 1975, wurde die Alpenregion der Schützen begründet. Zu diesem Dachverband gehören die Schützenbünde des historischen Tirols und Bayerns: Bund der Bayrischen Gebirgsschützen (BBGS), Bund der Tiroler Schützenkompanien (BTSK), Südtiroler Schützenbund (SSB) und Welschtiroler Schützenbund (WSB). Auch dieses 50-Jahr-Jubiläum wird standesgemäß begangen.
Schützen sind nicht gleich Sportschützen
Der Tiroler Landesschützenbund ist der Verein fürs Sportschießen mit Armbrust, Gewehr, Pistole und Vorderlader. Der Tiroler Landesschützenbund ist der einzige Verband, der sowohl unter den Traditionsverbänden als auch als Sportverband geführt wird. „Erfolg durch Konzentration“ ist der Leitsatz in diesem anspruchsvollen Sport.
Ich spreche mit einem Sportschützen aus meinem Freundeskreis über diesen doch eher ungewöhnlichen Sport. Er schießt seit knapp 20 Jahren mit einer Kleinkaliberpistole (auch „Feuerpistole“). Im Sommer (Saison von April bis September) wird am Schießstand draußen auf 25 Meter oder sogar auf 50 Meter („freie Pistole“) geschossen. Im Winter hingegen wechselt man nach drinnen und schießt auf zehn Meter Distanz.
Bei Bezirks-, Landes- oder Staatsmeisterschaften sind 40 oder 60 Schuss zu leisten, dafür steht man schon mal eine Stunde am Schießstand. Und dafür muss man einfach fit sein, aber auch Konzentration und Koordination mitbringen.
Ich frage den Pistolenschützen, worin für ihn nach all den Jahren der Reiz beim Schießen liegt. Und er sagt – mit Augenzwinkern: „Theoretisch ist es ganz einfach: die Waffe ruhig halten, genau zielen und möglichst in die Mitte treffen. Nur praktisch bleibt es immer eine spannende Herausforderung.“
Olympisch
Die Athletinnen und Athleten des Tiroler und Österreichischen Schützenbundes zeigen bei internationalen Wettkämpfen immer wieder auf und sie waren 2024 bei den Olympischen Spielen in Paris mit dabei. Mädchen und Frauen holen zusehends auf und machen den männerdominierten Sport nach und nach weiblicher. Stark!
Das große Landesschießen
Eröffnung und Startschuss
Am 12. April 2025 erfolgte der buchstäbliche Startschuss für das große Landesschießen. Mit einer schönen Eröffnungsfeier am geschichtsträchtigen Bergisel wurde diese organisatorisch beeindruckende Veranstaltung eingeläutet. Bis 15. Juni 2025 finden an 25 Schießständen in ganz Tirol Wettbewerbe im Schießen statt.
Der 12. April war ein warmer Frühlingssamstag, den die Leute rund um Innsbruck je nach (gefühltem) Alter und Gesinnung entweder beim Ugly Skiing Day in der Axamer Lizum, am Ostermarkt in der Innsbrucker Innenstadt oder eben traditionsbewusst am Bergisel verbrachten. Ich habe mich, voll im Blogauftrag, für Dirndl und Bergisel entschieden.
Rund um das große Andreas-Hofer-Denkmal hatten sich Schützenabordnungen aus der gesamten Alpenregion versammelt. Die Schützenröcke bildeten ein Farbspektrum von hell- und weinrot über violett, dunkel- und hellblau, petrol, gras-, oliv- und moosgrün bis hin zu braun und grau. Stutzen und Hüte wurden in allen Varianten präsentiert. Die Ehrenkompanie stellte die Schützenkompanie Weer, für die musikalische Umrahmung sorgte die Musikkapelle Baumkirchen.
Einzigartiges Zeremoniell
Nach einer kurzen Begrüßung der Ehrengäste gab es eine Erklärung zum Ablauf der Feierlichkeiten und des anstehenden landesüblichen Empfangs, den es in dieser Form übrigens nur in einem Bundesland, nämlich in Tirol, gibt und dessen Wurzeln in die Zeit der Monarchie zurückreichen. Das Gesamtkommando dafür lag bei Landeskommandant Major Thomas Saurer und das Zeremoniell begann mit dem Abschreiten der angetretenen Formationen.
Das ausgesprochen höfliche Prozedere mit den Kommandos war für mich ein Highlight, denn der Landeskommandant meldete mehrmals an Landeshauptmann Anton Mattle, so zum Beispiel: „... bitte höflichst mit dem landesüblichen Empfang beginnen zu dürfen.“ Darauf der Landeshauptmann: „Erlaubnis erteilt, bitte mit dem landesüblichen Empfang beginnen ...“
Andreas Hofer zu Füßen: die bunten Abordnungen der Schützen der Alpenregion. (Foto: © BTSK, S. Fischler)
„Hoch an!“
Nach einem akustischen Signal (bravo an den Trompeter!) folgten neben einer Reihe von weiteren Kommandos eine Ehrensalve, die als höchstes Zeichen der Ehre und als Friedenssymbol gilt. Aus nächster Nähe konnte ich hier einiges lernen: Eine Ehrensalve signalisiert, dass keine Kugel mehr im Lauf ist, und steht daher für Vertrauen und Frieden.
Schließlich spielte die Musikkapelle die Landeshymne „Zu Mantua in Banden“ und man spürte, dass die strammstehenden Schützen hier mit Überzeugung dabei waren. Noch dazu blickte ja niemand Geringerer als Andreas Hofer von seinem Denkmal auf sie herab. Ich gebe es zu: Die Hymne rührte auch meine (versteckte) patriotische Seite. Schön!
Ein Begrüßungsschnapserl durfte nicht fehlen, die Marketenderinnen gingen rundum. Das Schlagwort „Zielwasser“ in Hinblick auf das anstehende Eröffnungsschießen fiel mehrmals in Hörweite.
Kameradschaftliche Grußworte
Bei den anschließenden Grußworten von Politik, der jubilierenden Verbände sowie den Tiroler Kaiserjägern schweifte ich gedanklich schon etwas ab, doch die Betonung der traditionellen Werte, die die Schützen vertreten, und der gelebten Kameradschaft blieb mir doch im Gedächtnis. Zudem wurde auf weitere Erinnerungstage im Jahr 2025 hingewiesen, die es wirklich hochzuhalten gilt: 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs, 70 Jahre Staatsvertrag und 30 Jahre EU-Beitritt Österreichs. Auf den ersten Blick haben diese Ereignisse wenig mit den Schützen zu tun, doch bei genauerem Hinsehen spielen gerade europäische Werte und Friedensbemühungen schon eine große Rolle.
Die hölzerne Festscheibe fürs Eröffnungsschießen wurde noch präsentiert und eifrig fotografiert, bevor es zum Mittagessen vor dem Urichhaus ging.
Eröffnungsschießen
Die historischen Schießstände der Tiroler Kaiserjäger waren für das Eröffnungsschießen vorbereitet, gesichert und abgesperrt. Rundum wurde Ohropax-Gehörschutz verteilt. Geschossen wurde auf 100 Meter mit Schweizer Karabinern.
Hier gab es Festabzeichen und beim großen Landesschießen wird es Abzeichen in Bronze, Silber und Gold zu erzielen geben, für die besten Schützinnen und Schützen sogar ein Meisterabzeichen. Das Landesschießen ist „allgemein offen,“ es dürfen sich also auch Gäste in Sachen Treffsicherheit versuchen und beweisen.
Beim Sportschützen meines Vertrauens höre ich heraus, dass er das ganz wesentlich für eine solche Veranstaltung findet, da dies eine seltene Gelegenheit für alle bietet, diesen Sport aus der Nähe kennenzulernen und direkt auszuprobieren.
„Gut Schuss!“ an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Abschlussveranstaltung des Landesschießens samt Ehrung wird am 21. Juni 2025 in Schwaz stattfinden.
Weitere Highlights im Festjahr
Am 10. Mai 2025 wird zum großen Jubiläumsjahr der Tiroler Schützen ein feierlicher Festakt in Innsbruck veranstaltet. Rund 1200 bis 1500 teilnehmende Schützen aus Kompanien der gesamten Alpenregion werden dazu erwartet. Nach einem Aufmarsch durch die Innenstadt wird eine Feldmesse sowie der Festakt am Landhausplatz in Innsbruck stattfinden.
Aufgeschlossen in die Zukunft
Mein persönliches Arrangement mit den Schützen bleibt, wie es ist. Ich schätze die Tradition. Doch als Frau kann es mir natürlich nicht entgehen, dass sich bei einer großen Eröffnungsveranstaltung wie am 12. April am Bergisel alle anwesenden Frauen leicht an zwei Händen abzählen lassen.
Die wichtige Rolle der Marketenderinnen und ihre Gastfreundschaft wird allseits lobend erwähnt, doch andere weibliche Funktionen sind darüber hinaus bei den Traditionsschützen (noch) nicht vorgesehen. Immerhin im Schießsport holen die weiblichen Athletinnen stark auf. Und in der Musikkapelle Mariahilf/St. Nikolaus marschiert seit einigen Jahren der erste männliche Marketender vorne mit. Ja, warum denn auch nicht?!
Wie es wohl weitergeht mit den Tiroler Schützen? Ich bin gespannt und würde liebend gern einen Blick weitere 75 Jahre nach vorne werfen …
Informationen und Links
Bund der Tiroler Schützenkompanien: Brixner Straße 1, 6. Stock, 6020 Innsbruck, Tel. +43 512 566610, [email protected], www.tiroler-schuetzen.at
Tiroler Landesschützenbund: Brixner Straße 2/1, 6020 Innsbruck, Tel. +43 512 588190, [email protected], www.tlsb.at
Ich gratuliere zu den Schützenjubiläen und bedanke mich beim Landeskommandanten Thomas Saurer für die Einladung zur Eröffnung und beim Pressereferenten Alexander Haider für die Zusammenarbeit sowie bei Tina Stocker vom Tiroler Landesschützenbund für die Unterstützung.
Titelbild: © Innsbruck Tourismus
Bewerte den Artikel
Zeige mir den Ort auf der Karte
Tiroler Madl, Grafikerin, Bloggerin und Fremdenführerin mit vielseitigen Interessen und Schwäche für nette Menschen, Kultur, Sternenhimmel, noch ein Bier und Berge.
Ähnliche Artikel
Zwischen Bergen und Sternen Wenn der Tag sich dem Ende zuneigt und die Gipfel im Abendlicht leuchten,…
Die Adresse Tschamlerstraße 3 ist Legende in Innsbruck! Wer, wie die Autorin, Stammgast im…
Im Frühjahr findet wieder die Konzertreihe "Innsbrucker Hofmusik" in der Innsbrucker Hofkirche statt. Die Reihe geht…
Kleine Orte - kleine Schätze. Die Mini-Museen in Oberhofen, Birgitz und Völs zeigen außergewöhnliche Fundstücke, deren Präsentation…