Bacchus, römisches Waage-Gewicht

Immer öfter ist die Rede von ‚lokaler Identität‘. Die Rückbesinnung auf die engste Lebensumgebung manifestiert sich vor allem in den kleinen Gemeinden. Drei wunderbare Möglichkeiten, diese lokale Identität kennenzulernen, sind die folgenden drei Museen in drei authentischen Tiroler Ortschaften.

Auf den ersten Blick sind es vor allem Vereine, die für eine quasi unverwechselbare Präsentation ihrer engsten Umgebung sorgen. Markant und dennoch weniger bekannt sind jene örtlichen Organisationen, die sich um die eigentliche Freilegung der historischen Wurzeln dieser Identität kümmern. Sie organisieren Ausgrabungen, führen die Ortschronik, kümmern sich um die Darstellung der Funde in kleinen aber feinen Museen und beleuchten die geschichtliche Vergangenheit ihrer Gemeinde. Ich habe drei dieser Orts-Museen besucht: in Oberhofen, Birgitz und Völs. 

Die Arbeit der Idealisten

Allzu lange führten Museumsvereine eine Art Schattenexistenz. Sie arbeiteten meist still und beharrlich daran, die historische Basis zu erkunden, auf der ihre Gemeinde ruht. Sie sammeln alte Gerätschaften, stöbern in alten Dokumenten und organisieren archäologische Ausgrabungen. Das Ergebnis dieser Arbeit präsentieren sie in kleinen Ausstellungsräumen. Mit diesem Blog will ich einen Beitrag dazu leisten, die Arbeit dieser Idealisten in den drei Gemeinden vorzustellen.

Oberhofen und das „Chronistenteam“

Mit dem Beginn des ‚Social-Media-Zeitalters‘ haben sie nun endlich die Möglichkeit, ohne Kosten für das zu werben, was sie bewegt und was sie machen. Als Paradebeispiel dafür betrachte ich das „Chronistenteam Oberhofen im Inntal“. Mit ihrem Facebook-Auftritt schaffen sie es, ihre Arbeit als Dorfchronisten einer erweiterten Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie betreuen das Museum, das trotz der räumlichen Begrenztheit einmalige prähistorische Objekte präsentiert. Funde, die auch auf das Engagement der Chronisten zurückgehen.

„Wir hatten das Glück, dass der Altbürgermeister Franz Mader vor 40 Jahren die Idee hatte, ein Heimatmuseum aufzubauen“ erzählt mir Jörg Eder, der Teamleiter des Chronistenteams in Oberhofen. Aus dieser Zeit stammt auch eine überaus bemerkenswerte Sammlung uralter Gerätschaften für die Landwirtschaft und das lokale Handwerk.

Dass Oberhofen auf der archäologischen Karte des Oberinntals inzwischen eine bedeutende Stellung einnimmt ist auch dem Chronistenteam zu verdanken. Der Fund zweier rätischer Bronzefigürchen, die einst als Weihegaben nahe der Kapelle Maria Schnee niedergelegt wurden war eine kleine Sensation. Und gleichzeitig Anlass zur Einrichtung einer modernen Vitrine im Heimatmuseum.

Bemerkenswert sind Funde aus dem Umfeld einer römischen „Villa rustica, also eines Gehöftes im Krautfeld, östlich des Dorfes. Zum Fundspektrum zählen neben römischen Münzen interessante Metallartefakte z. B. ein sogenannter Riemenverteiler aus Bronze, Netzsenker aus Blei, dann – ein Hauch von Luxus – Fragmente eines gläsernen Trinkhorns und natürlich jede Menge römerzeitlicher Scherben in Form von Terra Sigillata, Reibschüsseln und Kochgeschirr aus Speckstein.

Die Tatsache, dass am Ausgrabungsareal auch bronzezeitliche Funde gemacht wurden ist ein Beleg dafür, dass im prähistorischen Inntal zumindest schon zur Bronzezeit, also vor mehr als 3.000 Jahren (!) auch Siedlungen am Talboden existierten. Begünstigt war dies durch die überschwemmungssichere Terrassenlage von Oberhofen, etwa fünf Meter über Inn-Niveau. Das Dorf war also schon sehr früh als Wohngegend beliebt.

Vielfältige weitere Aktivitäten des Chronistenvereins runden die Arbeit ab. Begonnen bei einer geschichtlichen Übersicht in der neu gestalteten Homepage sind es vor allem die ‚handgreiflichen’ Aktivitäten, die hervorstechen. Wie der Bau eines Kohlenmeilers, die Wiederherstellung eines Grundwasser-Tiefbrunnens, die Gestaltung von Sonder-Ausstellungen, Schulführungen und Kursen für die Ortsbewohner (derzeit wird ein Kurs zum Erlernen der Kurrent-Schrift angeboten).

Museum Info

Das Oberhofer Museum im Web:


https://museum-oberhofen.at/museum/

Öffnungszeiten: 


Juni bis Ende Oktober, jeweils Mittwoch von 15 - 17 Uhr.

Oder nach Voranmeldung unter Tel.Nr.: 0670-77 455 25

Birgitz und das Rätermuseum

Birgitz befand sich im Jahre 15 v.Chr. urplötzlich im Zentrum römischer Eroberungspolitik. Die Truppen von Drusus und Tibrius eroberten mit den nördlichen Alpenregionen auch jene rätische Siedlung, deren Reste seit 1930 auf der Hohen Birga ausgegraben werden. Die Bewohner wurden mit großer Wahrscheinlichkeit ins Tal vertrieben, da ihnen die Römer mit Sicherheit nicht über den Weg trauten. Ich habe darüber bereits einen Blog verfasst: https://www.innsbruck.info/blog/de/kunst-kultur/als-die-romer-das-alte-birgitz-zerstorten/

Bleibende Meriten hat sich der Verein „Archäotop Hohe Birga“ bei der Erforschung und Erhaltung dieser einstigen Rätersiedlung auf der ‚Hohen Birga‘ erworben. 2001 gegründet, widmeten sich die Vereinsmitglieder einem Hauptthema: die Unter-Schutz-Stellung der Hohen Birga. Dr. Annegret Waldner, Gründungsmitglied und Leiterin des Rätermuseums in Birgitz: „Nachdem das ganze Areal unter Schutz stand haben wir mit ‚Nachgrabungen‘ jener Ausgrabungen begonnen, die in den 50er Jahren eingestellt wurden. Wir wollten den weiteren Verfall stoppen.“

Auch in Birgitz brachte die kontinuierliche Aktivität eines Museumsvereins neue Erkenntnisse. Denn in der Zwischenzeit sind mehrere rätische Häuser vom Typ ‚Casa Raetica‘ ausgegraben und erforscht worden. Inzwischen ist auch klar geworden, dass die rätische Hohe-Birga-Siedlung einer der Hauptorte der rätischen Kultur im Mittleren Inntal gewesen war.

Touristen 'verlaufen' sich bisweilen ins Museum

Was wäre eine Ausgrabung ohne die Präsentation der Funde? Schon 2013 wurde das Rätermuseum in Birgitz eröffnet. Und das nicht nur, um nicht nur die Funde zu präsentieren. Es ist auch gleichzeitig der Ausgangspunkt von Führungen zur Hohen Birga, die vor allem von Schulen genützt werden. Interessant und irgendwie lustig ist die Feststellung von Museumsleiterin Dr. Waldner, wonach sich etliche Touristen ins Museum ‚verlaufen‘. „Wenn sie nämlich durch das ‚Nasse Tal‘ von Völs nach Birgitz spazieren, kommen sie an Schildern vorbei, die auf die Rätersiedlung und auch auf das Museum aufmerksam machen.“

Das wäre eine gute Idee: Präsentation der Ausgrabungen mit 3D-Brille

Was jetzt noch ansteht ist die Überlegung, wie das Grabungsgelände der Öffentlichkeit bestmöglich präsentiert werden kann. „Wir denken nicht daran, die rätischen Häuser quasi unter Wellblech zu stellen um sie zugänglich zu machen“ sagt Waldner. Die Überlegungen, Besucher mit einer 3D-Brille auszustatten und das einstige Räterdorf mittels Augmented Reality zu zeigen ist genauso neu wie faszinierend. Ich bin jedenfalls gespannt.

Museum Infos

Webauftritt des Vereins "Archäotop Hohe Birga":

www.hohe-birga.at

Öffnungszeiten Mai bis Oktober:

Samstag 15-18 Uhr, Sonntag 16-18 Uhr. 

Völs und der junge Bacchus

Die Geschichte von Völs ist im Museum Thurnfels kompakt aufbereitet und ausgestellt. Das attraktiv gestaltete Museum im Ortszentrum von Völs ist im Erdgeschoss dieses aus dem 13. Jahrhundert stammenden Hauses untergebracht. Schon der Name ist museal: Es war der ‚Turm zu Vels’, der dem Gebäude bis heute den Namen gab.

Besucher können hier herausragende Fundstücke betrachten, darunter ein poliertes Steinbeil, ein bronzezeitliches Vollgriffschwert und ein seltenes römisches Waage-Gewicht in Person des jugendlichen Gottes Bacchus. Gefunden wurde diese römische Rarität in der alten Pfarrkirche von Völs.

Das aus dem 2. Jhdt. n. Chr. stammende römische Waagen-Gewicht ist ein Hohlguss aus Bronze, der nachträglich mit Blei gefüllt wurde. Blei deshalb, weil der Götterkopf als Maßeinheit ein exaktes Gewicht aufweisen musste. Bekannt ist, dass diese Laufgewichte vom Typ Pompeij im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. in Verwendung waren.

Das Steinbeil aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. lässt auf eine Siedlung in Völs schon zur ausgehenden Steinzeit schließen. Es ist ein Beil aus Serpentin, das 1976 in der Nähe der damaligen Hauptschule gefunden wurde.

Ein bemerkenswerter Fund aus der Bronzezeit wurde bei Bauarbeiten geborgen. Lange zurückliegend ist die Entdeckung von 56 Brandgräbern aus der zeit zwischen dem 13. und 10. vorchristlichen Jahrhundert. Viele der Grabbeigaben werden im Museum Thurnfels präsentiert.

Museum Infos

Thurnfels im Web:

https://kultur.net/tirol/voels/museum-thurnfels

Öffnungszeiten:

Dienstag und Donnerstag, 14:00 - 17:00 Uhr. Freitag von 9:00 - 12:00 Uhr. Samstag, Sonn- und Feiertage nach Voranmeldung: 0512 30 31 11

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