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Wer durch die Altstadt flaniert, blickt gern nach oben zum Goldenen Dachl, zur Fassade des Helblinghauses oder auf die Nordkette, die sich hinter den Dächern erhebt. Schaut in die Schaufenster und in die Gastgärten. Altstadtbesucher beobachten andere beim Flanieren – und werden beobachtet.
Was die wenigsten tun: Auf den Boden schauen! Außer sie stolpern oder wollen einer Pfütze ausweichen. Ich bin da nicht anders. Das ist schade: Denn auch der Bodenbelag erzählt Geschichten.

Im Untergrund

Bodenbeläge sind vielleicht weniger spektakulär, für das Altstadtfeeling aber mindestens genauso wichtig wie die historischen Gemäuer selbst. Nicht umsonst wird der Boden gern als vierte Fassade bezeichnet. Das Besondere an ihr: Je weniger sie auffällt, desto stimmiger.

Über Monate prägte die Sanierung der unterirdischen Leitungen vor Kurzem das Bild der Altstadt. Tiefe Aushubschneisen zogen sich durch die Straßen und Gassen. Was für eine Wohltat, als die Arbeiten endlich beendet waren, und man nicht mehr im Zickzack durch die Herzog-Friedrich-Straße gehen, in die Seitengassen ausweichen musste. Und doch war etwas anders. Da, wo der Boden aufgerissen worden war, lag nun Asphalt. Moment! Asphalt? – Keine schmucke Pflasterung mehr? Sollte das so bleiben?

Meine Besorgnis war unbegründet. Der Untergrund muss sich nach den Bauarbeiten setzen, erst dann können Pflasterarbeiten durchgeführt werden. In welcher Form, darüber wird in den zuständigen Ämtern der Stadt gerade intensiv diskutiert. Das Bundesdenkmalamt ist natürlich auch involviert. Denn die Altstadt ist Schutzzone nach dem Stadt- und Ortsbildschutzgesetz. Nichts darf hier einfach so verändert werden. Auch der Bodenbelag nicht. Die neue ungewohnte Optik hat mich bewogen, mir den Boden in der Altstadt etwas genauer anzuschauen und mich mit dessen Geschichte zu befassen.

Mitten durch

Über Jahrhunderte war die Herzog-Friedrich-Straße die Hauptdurchzugsstraße Innsbrucks. Wer von Osten nach Westen, wer Richtung Brenner wollte, fuhr mitten durch die Altstadt, am Goldenen Dachl vorbei. Über welchen Belag die Kutschen und Fuhrwerke fuhren, hatte Einfluss auf die Staub-, Lärm und Schmutzentwicklung. Früh begann man, mit flachen Bachsteinen, Sand und Holzklötzen die Fahrbahn zu pflastern, geschützte Wege für die Fußgänger zu schaffen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte man Asphalt. Für die Trottoirs gern gerippte Zementplatten, „um die Schlüpfrigkeit bei nassem Wetter zu vermeiden“, wie in den Innsbrucker Nachrichten 1873 stand.

Neuer Bodenbelag

Mit der Motorisierung nahm auch der Verkehr in der Altstadt zu. Mit ihren schmalen, verwinkelten Gassen war sie dafür allerdings nicht gerüstet. Der Ausbau des Rennwegs und des Südrings entlastete schließlich die Herzog-Friedrich-Straße. Diese verlor ihren Status als Verkehrsknotenpunkt, der Weg für eine Fußgängerzone in der Altstadt war frei. Umgesetzt wurde diese in den 1970er Jahren. Asphalt wich Pflaster.

Die diesbezüglichen Arbeiten zogen sich bis in die 1990er Jahre. Dabei erfolgte keine einheitliche Pflasterung. Seitengassen erhielten größere Steinplatten, während in der Herzog-Friedrich-Straße Kleinsteine in Form eines Bogenpflasters verlegt wurden. Als bevorzugtes Material diente Porphyr, die Entwässerungsrinnen bestanden aus Granit.

Streift man aufmerksam durch die Gassen, sieht man auch, mit wie viel Liebe zum Detail gearbeitet wurde. Gebäudekanten und Kanaldeckel säumen zum Beispiel kleine Quader.
Ebenfalls noch State of the Art war zur damaligen Zeit eine gebundene Bauweise, bei der die Fugen mit einem Bindemittel verschlossen wurden. Heute wird eine ungebundene Bauweise bevorzugt; sie lässt Wasser versickern, einzelne Steine leichter austauschen. Allerdings müssen die zu tragenden Lasten berücksichtigt werden. Denn auch wenn die Altstadt heute Fußgängerzone ist, gibt es Verkehr. Lkw und Paketdienste liefern Waren an, Taxis dürfen hineinfahren. Das verwendete Bodenmaterial muss also robust sein.

Demnächst

In welcher Form die bei den Kanalisationsarbeiten entfernte Pflasterung ersetzt werden soll, wird von den Fachleuten noch diskutiert. Ich bin schon gespannt, welche Lösungen es in den Straßen und Gassen der Altstadt geben wird. Mein Blick jedenfalls wird sich auch in Zukunft nicht nur nach oben heben und in die Auslagen fallen, sondern auch auf den Boden. Eine Altstadt ohne Pflasterung kann ich mir nicht vorstellen. Sie signalisiert Aufenthaltsqualität, unterstreicht das Besondere eines historischen Ensembles, lädt zum Flanieren ein. Und nicht zuletzt erzählt sie Geschichten.

Informationen zur Innsbrucker Altstadt, ihrer Geschichte finden Sie unter innsbruck.info

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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