gries im sellrain Kopie

Er hat nicht nur Wunder der Architektur wie das Goldene Dachl hinterlassen. Oder Funktionsbauten wie das Zeughaus. Wer mit wachem Interesse und offenen Augen durch die Berge Tirols streift, kann heute noch Bauwerke in offenem Gelände entdecken, die auf Kaiser Maximilian zurückgehen: seine Jagdwege. Es sind eigens angelegte Trassen, die es ihm ermöglichten mitsamt seiner Entourage – nicht selten zählten auch „Frauenzimmer“ dazu – Jagdgebiete inmitten steil aufragender Berge hoch zu Ross rasch und bequem zu erreichen. Ich will hier ein wunderschönes Beispiel vorstellen: den Weg zwischen St. Quirin und Gries, heute als ‚Besinnungsweg‘ bekannt.

Besinnungsweg Sellrain

Der Besinnungsweg zwischen St. Quirin und Gries i.S. ist in Wahrheit ein einstiger Jagdweg Kaiser Maximilians. Foto: W. Kräutler

Mysteriöse, befestigte Wege im Gebirge

Für mich war es jahrelang ein Rätsel, weshalb hoch oben in den Bergen urplötzlich trassierte und befestigte Wege zu entdecken waren. Weitab jeder Siedlung und Alm. Weitab aber auch von ‚Knappenlöchern‘, den Bergwerken des Mittelalters. Selbst die moderne Alm- oder Forstwirtschaft konnte solche Wege nicht angelegt haben, dazu sind sie zu schmal.

Eine Unterhaltung mit dem legendären Bergbauwissenschafter und Geologen Dr. Peter Gstrein machte mich vor rund einem Jahr stutzig. „Es existieren immer noch zahlreiche Wege, die Kaiser Maximilian anlegen ließ“, meinte er. Hatte ich da richtig gehört? „Ja, der wollte rasch und ohne gröbere Probleme in seine Jagdgebiete gelangen“ meinte Peter, der Tirols Berge wie die berühmte ‚Hosentasche‘ kennt. 

St. Quirin, Besinnungsweg

Auffallend sind die vielen Trockensteinmauern, mit denen unebene Strecken des Weges im steilen Gelände trassiert worden ist.

Der Jagdweg Maximilians nach Kühtai

Ich machte mich also auf, diesen gut erhaltenen, wunderschönen Weg genauer erneut unter die Lupe zu nehmen. Er ist zwischen dem Wallfahrtskirchlein St. Quirin und Gries im Sellrain als „Besinnungsweg“ bekannt. Der Augenschein macht mich sicher: Der Kaiser ließ den Weg mit allergrößter Wahrscheinlichkeit anlegen. Er überwand jenen Abschnitt des Sellraintales, der in der Talsohle nicht zu passieren war, wenn er von Innsbruck via Kematen, Oberperfuss, St. Quirin, Gries und St. Sigmund nach Haggen und Kühtai eilte, um „Gämsen zu stechen“.

St. Quirin Jagdwege Maximilian

St. Quirin, die gotische Perle am Steilhang hoch über dem Sellraintal.

Man muss wissen, dass Maximilians Jagdgebiete meist in Gegenden lagen, die im Mittelalter nur sehr schwer zu erreichen waren. Und wenn schon, dann zu Fuß. Das aber wollte der letzte Ritter nicht akzeptieren. Also ließ er Wege anlegen oder wenn schon Wege vorhanden waren mussten diese befestigt und planiert werden. Wobei das Innere Sellraintal mit Kühtai überhaupt zu des Kaisers favorisierten Jagdgebieten gehörte. Denn im ‚Haggen‚ ob St. Sigmund und in Kühtai gab es die von Maximilian so geschätzten Gämsen, das Sellraintal war zudem für seinen Hirschreichtum bekannt.

Hat Maximilian die Ausschmückung von St. Quirin veranlasst?

Wenn wir heute von Kematen mit dem Auto nach Sellrain fahren, passieren wir die Schlucht der Melach. Das Passieren eines solchen Talzugangs war vor 500 Jahren schlicht undenkbar. Damals verlief der Weg also hoch oberhalb der Talsohle und führte – von Kematen und Oberperfuss kommend – zuerst nach St. Quirin. Ich bin überzeugt, dass es auch Kaiser Maximilian war, der die gotische Umgestaltung dieser wundervollen Kirche angeregt hatte. Gehörten doch die ausführenden Künstler der Innsbrucker Bauhütte an, die von Maximilian tatkräftig gefördert worden war. Sie waren es,  die die Kirche Ende des 15. Jahrhunderts mit wundervollen ornamentalen Fresken versahen. Just zu jener Zeit als Maximilian in dieser Gegend seiner Jagdleidenschaft freien Lauf ließ aber immer wieder betonte, täglich die Messe zu hören.

St. Quirin

Deckenmalereien in der Kirche St. Quirin. Gotik in ihrer schönsten Form.

Ein weiterer Beleg für diesen einstigen Verbindungsweg zwischen dem Inntal und Kühtai sind die vielen Bauernhöfe, die zwischen St. Quirin und Gries wie Perlen entlang des uralten Weges aufgereiht sind. Die Szenerie ist übrigens einzigartig, denn die Höfe scheinen vor dem majestätischen Hintergrund der Nordkette und der Stadt Innsbruck an den Steilhängen zu kleben.

Perfall, Sellrain

Der Weiler Perfall mit seinen Höfen. Gut sichtbar trotz Grasbedeckung ist die alte Trasse des Weges. Die Hangneigung wäre einer Sprungschanze würdig. Bild: W. Kräutler

Ein Weg mit 1,10 m Breite

Der Weg selbst ist eine Offenbarung. Er verläuft meist sanft ansteigend durch einen wunderschönen Hochwald. Immer in einer Breite von etwa 1,10 m. Auffallend sind die vielen Trassen, die es offenbar in all den Jahrhunderten verhindert haben, dass der Weg abrutschen konnte. Gröbere Schäden gab es erst im vergangenen Winter, als selbst riesige Bäume unter der Schneelast zusammen gebrochen sind.

St. Quirin

Der Weg zwischen St. Quirin und Gries i.S. wurde sorgsam angelegt, fundiert und abgestützt. Damit des Kaisers Pferd nicht stolperte. Bild: W. Kräutler

Die „Jagdkarawane“ Maximilians

Wenn man sich nun noch vorstellt, wer den Kaiser begleitete, wenn der seine Jagdlust nicht mehr zügeln konnte, dann wird die nötige bauliche Qualität der Jagdwege verständlich. Denn da bewegte sich ein richtiger „Tatzlwurm“ bergwärts.

Zuallererst war da ein Diener, der dem Kaiser seine Jagdwaffen nachzutragen hatte: „Ein Jagdschwert und ein Stachelbogen. Im Winter eine hörnerne Armbrust. Einen Degen, ein Tillmesser, einen breiten kurzen Degen, ein Schnittmesser mit Schnitzer und Pfriemen darauf, ein zähgestähltes Tillmesser zum Ausfällen der Gämsen und ein Bergstock. Zur Bärenjagd einen guten Bärenspieß von ziemlicher Länge und einen Bergstock.“  Dann die Treiber mit den Hunden, bis zu 50 an der Zahl. Saumtiere, meist bergwerkserfahrene Pferde folgten, auf denen allerhand Material in die Berge transportiert wurde. Nur ihnen traute Maximilian zu, die teils schmalen und steil abfallenden Wegtrassen ohne Panik zu überwinden.

Armbrust Maximilian

Eine solche hörnerne Armbrust mit Stahlbogen kam bei Maximilian im Winter zum Einsatz. Links im Bild: Steigeisen für die Gämsenjäger.

Ein mobiler „Donnerbalken“

In seinem „Geheimen Jagdbuch“ beschreibt Maximilian dann noch weitere Details. „Ein Bauer muss stets ein weites Gewand und eine Bank mit auf die Jagd tragen, damit sich der König ausruhen kann“. Auch eine mobile Toilette war im Gepäck: Eine ‚kleine grüne Hütte‘ (vermutlich ein Zelt) samt einem zusammengeschraubten Stuhl war mitzuführen, „damit der König ruhen kann bis der Trieb kommt. So kann er auch im Geheimen in der Hütte Wasser abschlagen ohne dass es jemand sieht.“

Zudem war eine ‚kleine Bütte mit Gebratenem, Früchten, Käse, Brot und gutem Wein“ mitzuführen, damit sich der Kaiser allzeit laben konnte.

Gamsjagd Maximilian

Eine Gamsjagd, dargestellt im Jagdbuch des Maximilian. Die Treiber jagen die Tiere in steile Wände, bis sie weder vorwärts noch zurück können. Gemeinsam mit den Hunden werden sie in Schach gehalten bis ein mutiger Jäger auftaucht. (Illustration aus dem Jagdbuch des Maximilian).

Maximilian Jagdbuch

Dann trat der mutige Jäger auf und ’stach‘ die Gams aus der Wand. Vorsicht war vor der fallenden toten Gams geboten. Man beachte die Steigeisen an den Schuhen des Jägers! (Illustration aus dem Jagdbuch des Maximilian).

Selbst Publikum ließ Maximilian in die Jagdgebiete bringen

Einer kaiserlichen Jagdgesellschaft gehörten nicht selten auch Gesandte anderer Staaten an, vor denen Maximilian gerne den kühnen Jäger gab. Oft führte er den Gesandten von Venedig oder aus der Türkei seine Künste vor. Auch seine engsten Mitarbeiter mussten mit auf die Jagd. Allerdings aus anderen Gründen. Denn Maximilian war sich bewusst, dass er während der Jagden mit dem gemeinen Volk in Berührung kam. Das war ihm sogar recht. Erstens, weil er dadurch als Imperator bekannt geworden ist. Zweitens, damit sie sich „ihrer Noth zu beklagen und sie vorzubringen vermögen“.  Daher nahm er nicht nur seinen Sekretär sondern auch „etliche Räthe mit auf die Waidmannschaft“. Er wollte imstande sein, den gemeinen Mann „abzufertigen“.

Jägerlatein vor 500 Jahren

Wenngleich sich die Jagd in der Zwischenzeit grundlegend geändert hat, eine Besonderheit der Jagd bleibt offenbar immer gleich: das Jägerlatein. Im Geheimen Jagdbuch behauptet Maximilian, einer seiner Jäger habe einen Hasen mit der Angelrute gefangen. Ein anderer habe auf einem Pferd reitend einen Reiher mit bloßen Händen gefangen. Vollends obskur wird die Schwärmerei Maximilians, wenn er von einem ‚Heinrich von Hardegg‘ bereichtet. Der habe angeblich einen Gamsbock mit einem Fischernetz gefangen, das er vorher zum Fang von Forellen verwendet habe.

Ja dann: Waidmannsheil!

Meine Tipps und Links

Ich habe mehrere Tipps für Euch:

Den wunderbar erhaltenen Jagdweg Maximilians zwischen St. Quirin und Gries i.S. kann man von beiden Seiten ‚erwandern‘. Weniger kraftraufend ist es, mit dem öffentlichen Bus bis Gries zu fahren und dort bei der Kirche dem „Besinnungsweg“ in Richtung St. Quirin zu folgen. Umgekehrt ist es auch möglich, von St. Quirin nach Gries zu spazieren. Mein Kollege Danijel Jovanovic vermittelt mit wunderschönen Bildern in diesem Blogbeitrag einen ersten Eindruck von der Schönheit dieser Landschaft.

Eine digitale Karte des Besinnungsweges vulgo Maximilians Jagdweg findet ihr HIER

Wunderschön ist es auch, dem Weg weiter in Richtung St. Sigmund und Haggen zu folgen. Obwohl der moderne Weg zwischen Gries und St. Sigmund höchstwahrscheinlich nicht dem mittelalterlichen Jagdweg Maximilians folgt, ist der Spaziergang entlang des Zirmbachs interessant, kühl und erholsam. HIER finden Sie eine Beschreibung sowie die digitale Karte dieser Strecke.

Von St. Sigmund nach Haggen folgt man entweder dem Wanderweg bergwärts links des Zirmbachs oder nach einem kurzen Intermezzo auf der Hauptstraße rechts des Bachs.

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