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Ellbögen Mühltal. Etwa eine halbe Stunde nachdem wir im Stadtzentrum losgefahren sind, hält der Bus kurz vor der Kurve und als einzige steige ich hier aus. Sven Deppe steht mit seinem Geländewagen bereits auf der anderen Seite und winkt. Endlich geht es los. Nach meiner Schneeschuhwanderung im Viggartal letztes Jahr freue ich mich besonders auf dieses Abenteuer: Winter am Patscherkofel. Denn ich habe von Anfang an die Vermutung: das wird gut. 

Nach einer kurzen Autofahrt bergauf satteln wir um auf das Schneemobil. Sven und Flocki, seine Hündin, sitzen vorne, ich hinten. Und dann sausen wir den schmalen Weg nach oben. Hier im schattigen, schmalen Viggartal verwandelt sich der Weg zu einem ausgeprägten Winterwonderland. Die Nadelbäume tragen eine dicke Schneeschicht und das Licht ist fast blau. Weiter oben fallen die Sonnenstrahlen auf den Weg und lassen den Wald gelb leuchten.

Auf 1720 Metern erreichen wir das Meissner Haus. Hier kehren wir kurz ein, ich trinke einen Tee in der gemütlichen Holzstube und mache mich für die Wanderung bereit. Sven führt heute eine vierköpfige Familie nach Boscheben, die im Zuge der Winter-Bergferien hier zu Gast ist. Die Tochter läuft eilig und federleicht voraus, die Mutter keucht hinten nach. Nach den ersten zehn Minuten haben wir einen Rhythmus gefunden, der für alle angenehm ist.

Zu Fuß zur winterlichen Almhütte

Wir queren die Quelle des Meissner Hauses. Sven kennt sich aus, er war jahrelang am Meissner Haus Hüttenwirt. Jetzt fokussiert er sich auf Wander- und Familienangebote. Er hat viel zu erzählen und immer wieder halten wir an. Er zeigt uns Bart- und Wolfsflechten, Zirbenäste und erzählt von den hier heimischen Gämsen, die sich nach einer Epidemie vor einigen Jahren wieder ansiedeln. Die Zeit vergeht wie im Nu und der Aufstieg durch den Wald ebenso.

Gerade rechtzeitig für die letzten Sonnenstrahlen kommen wir auf Boscheben an. In der Küche winkt bereits Clara Tippelt, die Hüttenwirtin. Ein paar weitere Gäste wärmen sich in der Stube auf, auch sie werden hier übernachten.

Immer einen Schritt voraus: Flocki und Sven.Immer einen Schritt voraus: Flocki und Sven.

Auf einer Lichtung erklärt Sven die Bergwelt.

Auf einer Lichtung erklärt Sven die Bergwelt.

Am Kamm angekommen haben wir besten Blick auf Innsbruck und die Nordkette.

Am Bergkamm angekommen haben wir besten Blick auf Innsbruck und die Nordkette.

Am Patscherkofel im Winter

Am Meissner Haus (1720 Meter) gibt es ausreichend Wasser. Duschen ist kein Problem. Ganz im Gegenteil zu der auf 2.030 Meter Seehöhe gelegenen Boscheben Hütte. Hier muss das Wasser mühsam mit der Materialseilbahn transportiert werden. Im Sommer wird zusätzlich das Regenwasser als Nutzwasser gesammelt. Doch jetzt im Winter gibt es diese Option nicht. Jetzt muss alles ein wenig anders funktionieren.

Dass Boscheben überhaupt im Winter aufsperren kann, verdankt die Hütte ihrer Besitzerin Clara. Ursprünglich hat sie Mode in Berlin studiert, seit 2016 ist sie stolze Besitzerin der Hütte. Bisher war Boscheben nur im Sommer für Gäste geöffnet, in erster Linie wird hier bewirtet. Mittlerweile gibt es aber auch einige Schlafplätze und neu seit letztem Sommer auch eine Heizung. Mit Solar wird im Sommer das Wasser gewärmt, im Winter liefert eine Pflanzenölheizung Wärme. Zum Zähneputzen reicht ein Becher Wasser, die Toilette ist eine Trockenanlage. Alles ist einfach, aber funktional. Und Hauptsache: warm.

Abendessen auf Boscheben

In der warmen Stube stoße ich auf andere Übernachtungsgäste. Während die Familie nach dem Abendessen mit Stirnlampen wieder zum Meissner Haus absteigt, werde ich nämlich hier übernachten. Aber als erstes gibt es mal ein Bier, einige Musikwünsche über die Box und ein paar Kekse. In der Küche riecht es schon herrlich nach Kürbissuppe.

Wenig später ist das letzte Tageslicht verschwunden und wir sitzen vor dampfenden Brottöpfen mit Suppe. Auch beim Hauptgang lässt man sich nicht lumpen: Hirschgulasch mit Spätzle und Rotkraut. Rotkraut oder Blaukraut? In unserer Gruppe, welche aus Deutschen, Holländern und Österreichern besteht, eine Diskussion ohne Ende. Egal, Hauptsache es schmeckt.

Rein in die warme Stube.

Rein in die warme Stube.

Kürbissuppe im Brottopf.

Kürbissuppe im Brottopf.

Hirschgulasch mit Spätzle und Rotkraut.

Hirschgulasch mit Spätzle und Rotkraut.

Das einfache Lager für die Nacht. Mit Heizung ein wahrer Luxus.

Das einfache Lager für die Nacht. Mit Heizung ein wahrer Luxus.

Es ist bereits spät als ich mich auf mein Zimmer verziehe. Am Gang fackeln ein paar Kerzen im Luftzug, es ist gemütlich. Tief und fest schlafe ich bis mein Wecker zum Sonnenaufgang klingelt. Ich packe mich ein und stapfe eine Runde auf den Wegen ringsum die Hütte. Doch so richtig will die Sonne heute nicht aufgehen – es wirkt eher so, als hätte einfach jemand den Schalter umgelegt. Und nun ist es eben hell.

Rundherum ist es still, in der Stadt beginnt ein neuer Arbeitstag. Mein Handy reißt mich aus der Idylle. Ein Arbeiter ruft an, er würde gerne etwas bei mir abholen, doch ich bin nicht zuhause. Entschuldigend füge ich hinzu „ich stehe gerade zwischen Viggarspitze und Patscherkofel, es wird noch ein wenig dauern bis ich wieder da bin“. Für Innsbruck keine unübliche Entschuldigung. Er ist auf jeden Fall nicht beeindruckt. Ich hingegen sehr. Und weil es gerade so schön still ist, drehe ich mein Handy nochmal ab und genieße die Aussicht in vollen Zügen, während ich ganz alleine durch den Schnee stapfe.

Dann geht es zurück in die Stube, zu Kaffee, Marmelade, Speck, Käse und Brot. Clara erzählt vom Sommer, der hier untertags recht voll werden kann. Ihre Hütte liegt direkt am beliebten Zirbenweg, die meisten Gäste kommen untertags vorbei, am späteren Nachmittag ist es dafür oft früh schon ruhig. Dann kann sie den Tag auch genießen oder selbst eine Runde wandern gehen mit Merle, ihrem Hund.

Hüttenalltag

Die Hütte liegt direkt unterhalb des Kamms, auf der Südseite mit Blick ins Viggartal. Wer Innsbruck sehen will muss rund 20 Schritte auf einen kleinen Hügel gehen. Oder ein paar Meter mehr dafür eben bis zur Wegabzweigung des Zirbenwegs.

Clara erzählt von vielen schönen Tagen, aber auch von Gästen, denen das Verständnis fehlt, dass es auf Boscheben eben keine Quelle gibt und keine Müllabfuhr. Immer wieder muss sie erklären, dass jeder seinen Müll selbst mitnehmen muss. Denn auf Boscheben wird alles zu Fuß und mit Hilfe der Materialseilbahn transportiert. Auch wenn der Weg vom Schutzhaus am Patscherkofel nicht weit ist, ist hier die Welt eben ganz anders. Und genau dorthin mache ich mich nun auch auf. 40 Minuten später sitze ich in der neuen Gondel des Patscherkofels und wenig später im Bus zurück in die Stadt. So nah, so fern. Wie gut zu wissen, dass es dort oben eine solche Hütte gibt für Tage an denen man einfach alles im Tal lassen möchte.

Übernachten auf Boscheben

Wie sich die Ideen für den Winter weiter entwickeln wird man noch sehen. Deswegen gibt es auch noch keine fixen Preise, bei Interesse kontaktiert man einen der beiden Organisatoren am besten direkt. Dann wird individuell je nach Gruppengröße und Programm (Schneeschuhwanderung, Abendessen etc.) ein Angebot gemacht. Je nach Wetterlage kann sich dann auch mal noch etwas kurzfristig ändern. Ist zum Beispiel der Zirbenweg im Winter manchmal zu gefährlich (Lawinengefahr), dann muss die Strecke geändert werden.

Clara ist gleich alt wie ihre Hütte, beide sind sie Jahrgang 1991.

Clara ist gleich alt wie ihre Hütte Boscheben, beide sind sie Jahrgang 1991.

Über den Zirbenweg geht es zurück zur Patscherkofelbahn und ins Tal.

Über den Zirbenweg geht es zurück zur Patscherkofelbahn und ins Tal.

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