5_Enzian_Titel_©SusanneGurschler

Im April und Mai kommen auch in hohen Regionen die ersten Blumen zum Vorschein. Frech wachsen sie gegen die letzten Schneefelder an und zaubern Farbtupfer in den noch gräulich-braunen Untergrund. Darunter fünf meiner liebsten Alpenblumen.

Primeln, Frühlings-Enzian und Wundklee leuchten um die Wette.

Für mich beginnt nun – neben dem Herbst – die schönste Zeit im Hochgebirge, die schönste Zeit für Bergtouren. In der Früh sind die Temperaturen noch angenehm kühl, tagsüber kann es auch auf 2.000 Metern angenehm warm werden und meist weht ein erfrischendes Lüfterl.

Farbenrausch in der Höhe

Dazu kommen die herrlichen Alpenblumen, die es am Wegesrand, auf den Matten, Steilhängen und Almwiesen zu entdecken gibt, während mancherorts noch Schneefelder zu durchqueren sind. Die Alpenblumen, die in dieser Zeit wachsen, sind echte Überlebenskünstler, Eyecatcher, Fotomotive und Seelenschmeichler für Berggeher.

Luftige Frühlings-Krokusse soweit das Auge reicht.

Die meisten betören mit intensiven Farben: Primeln, Klee, Steinbrech, Hahnenfußgewächse, Ehrenpreis und Enzian, Kuhschellen und Frühlings-Krokusse leuchten in den unterschiedlichsten Tönen, schmiegen sich an Grashänge und in steiniges Umfeld. Ein Augenschmaus nach kalter Jahreszeit – wie bei Wanderungen im Sellrain zum Rangger Köpfl oder am Mieminger Plateau zu entdecken, an der Nordkette ebenso wie rund um den Patscherkofel.

Blumen bestimmen

Neben einer Jause packe ich immer auch meinen Naturführer „Blumen der Alpen“ ein. Andere wählen vielleicht eine Pflanzenbestimmungs-App oder die Google-Recherche, als Büchermensch greife ich lieber zum Büchlein. Während des Aufstiegs halte ich gerne inne, schaue mir die einzelnen Pflanzen bei einer Rast genauer an, versuche sie zu bestimmen.

Paradiesisch schöne Blümchen auf braun-grauem Untergrund.

Bei manchen Alpenblumen kann ich mir den Namen nie merken. Warum, weiß ich nicht. Die Alpenaurikel ist jedenfalls so eine. Dem Himmelschlüssel recht ähnlich, entzückt mich ihr frech gerecktes Blütenkränzchen immer wieder aufs Neue.
Angesichts der Vielfalt fällt es mir schwer, eine Hitliste meiner liebsten Alpenblumen zu erstellen. Denn eigentlich mag ich sie alle! Aber im Frühling, im Frühsommer, da freue ich mich besonders, wenn ich folgende fünf entdecke.

Viele der schönen Alpenblumen stehen übrigens unter Naturschutz, sind bedroht, dürfen also nicht gepflückt werden. Worauf ich natürlich immer achte! Dafür fotografiere ich sie von allen Seiten und genieße das ganze Jahr über ihren Anblick in meinem Fotoalbum.

1. Die Küchenschelle

Sie lässt mein Herz ein paar Takte schneller schlagen. Da gibt es die Innsbrucker Küchenschelle, die es nur noch in einigen Magerwiesen in Arzl, Thaur und Rum zu bewundern gibt, und die für mich daher einer der „111 Orte in Innsbruck, die man gesehen haben muss“ (Emons Verlag) ist. Da gibt es die Frühjahrs-Küchenschelle, die sich nahe am Boden hält, mit ihrem zartlila Kleidchen.

Ein zarter haarige Flaum schützt die Frühjahrs-Küchenschelle vor Wind und Wetter.

Meist sieht man sie erst, wenn man direkt vor ihr steht, dann dafür gern in größeren Mengen. Eine sanfte, aber giftige Schönheit, die sich mit flaumigen Härchen gegen Wind und Wetter schützt. Oder die Gelbe Alpen-Küchenschelle, die bis zu 30 Zentimeter hoch werden kann. Der Name Küchenschelle hat übrigens nichts mit Küche zu tun. Er steht für Kühchen als Verkleinerungsform für Kuhschelle, an deren Form die halboffenen Blütenblätter erinnern.

2. Der Enzian

Neben Edelweiß und Almrosen (Alpenrosen) steht keine Blume so für die alpine Flora wie der Enzian. Er clasht einem ein Blau ins Gesicht, das so intensiv und satt und schwer ist, dass niemand ihn übersehen kann – sei es auf noch braunem Grund, sei es auf den ersten grünen Flecken.

Neben Edelweiß und Almrosen gehört der Enzian zu den bekanntesten Alpenblumen.

Mehr als 30 Arten gedeihen in den Alpen – vom herrschaftlichen Bayerischen Enzian bis zum Frühlings-Enzian mit seinen fünf flach ausgebreiteten Blütenblättern, bei uns auch „Schusternagele“ genannt. Wenn man zeitig in der Früh unterwegs ist, sind die Blüten meist noch geschlossen und auch am Abend mummen sie sich wieder ein, ebenso bei Regen oder Gewitter.

3. Der Alpen-Hahnenfuß

Wir sind es gewohnt, auf die kräftigen Farben zu schauen, gerade die weißen Blüten springen uns daher oft noch nicht so ins Auge. Ein Fehler – denn der Alpen-Hahnenfuß ist nicht minder bezaubernd als ein Enzian oder eine Primel. Kaum zu glauben, dass diese kleine Pflanze ihre Blätter bereits unter der Schneedecke entwickelt, um beim Ausapern ja zu den ersten zu gehören, die sich der Sonne entgegenrecken.

Wie alle Hahnenfußarten ist auch der Alpen-Hahnenfuß giftig.

Sie ist perfekt an das oft noch unwirtliche Klima in höheren Regionen angepasst. Das kräftige Grün ist bei den Gämsen sehr beliebt – weswegen diese Pflanze auch gern als Gamskresse bezeichnet wird. Wie alle Hahnenfußarten ist sie für den Menschen giftig.

4. Das Alpenglöckchen

Offiziell trägt diese Blume den Namen Alpen-Soldanelle oder Troddelblume. Vielerorts nennt man sie Eisglöckchen, ich kenne sie als Alpenglöckchen. Sie gehört zu den ersten, die austreiben, wenn der Schnee schmilzt. Manche Arten bahnen sich gar den Weg durch die noch dünne Schneedecke!

Die zarten Alpenglöckchen trotzen den noch unbeständigen Witterungsverhältnissen.

Wenn man das Alpenglöckchen anschaut, kann man kaum glauben, wie stark und zäh es gegen die Reste des Winters ankämpft. Es trägt ein durchscheinend federleichtes Röckchen mit zipfeligem Saum. Das Alpenglöckchen gehört zu den Primelgewächsen, von denen im Gebirge unzählige verschiedene zu finden sind.

5. Die Alpenaurikel

Sie gehört unverkennbar zur Gattung der Primeln und ist von Tallagen bis in hohe Regionen zu finden. Die Alpenaurikel liebt Felsspalten und Schutt ebenso wie Steinrasen, Matten oder Moore. Die robuste Pflanze trägt die Blüten wie einen kleinen goldenen Wuschelkopf, dessen intensives Gelb einem schon von weitem ins Auge sticht. Wie viele Alpenblumen ist auch die Alpenaurikel in Steingärten sehr beliebt. Aber ich finde, nirgendwo ist sie bezaubernder als im hochalpinen Gelände.

Alpenaurikel, sagt mein kleines Bestimmungsbüchlein immer wieder aufs Neue.

Dort, in freier Natur, zeigen uns die Wildpflanzen, welch stattliche Überlebenskünstler sie sind, welche große Zähigkeit in noch so zart wirkenden Pflänzchen steckt. Einfach wunderbar anzuschauen. Alle Jahre wieder freue ich mich bei meinen ersten Bergtouren in der Umgebung von Innsbruck (Tipps für Touren habe ich euch hier und hier zusammengefasst) auf die wunderbaren Blumen, die sich bereits in der Schneeschmelze ihren Weg an die Oberfläche bahnen.

Fotos: ©Susanne Gurschler

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