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Als ich den jungen Mann mit den hellen Augen treffe bin ich ein bisschen nervös. Der Händedruck ist kräftig, wenig überraschend. Es ist das erste Mal, dass ich einem Weltmeister die Hand schütteln darf. Mit ebendiesen Händen ist Jakob Schubert nämlich erst vor wenigen Wochen an die Weltspitze geklettert. Für den sympathischen Innsbrucker ein Heimspiel, denn er ist hier zuhause: Im Fels und in der Wand. Überall da, wo es sehr steil nach oben geht. Je härter, desto besser. Ein Weltmeister will schließlich gefordert sein. Bei Kaffee und Mango-Soda darf ich ihn ein bisschen kennenlernen. Ein ganz ungezwungenes Gespräch. Über sein Leben, das Klettern und was sonst noch so passiert.

Jakob Wilhelm: Der Kletterweltmeister 2018 kommt aus Innsbruck

Jakob SCHUBERT: Der Kletterweltmeister 2018 kommt aus Innsbruck. (Foto: Heiko Wilhelm)

Wie alles angefangen hat.

Eigentlich spät, meint Jakob. Mit zwölf das erste Mal Klettern. Vorher sechs Jahre Fußball, immer schon ein sportliches Kind. Und sehr ehrgeizig, er liebt das Training, die Herausforderung. Mit vierzehn klettert er schneller und besser als alle anderen. Ab da geht es nur noch steil bergauf. Früh hat der Junge erkannt, was ihm liegt. Ballsportarten werden zum Freizeitvergnügen, das zielstrebige Klettertalent wird gefördert, das Hobby nahtlos zum Beruf. Trotzdem absolviert der Innsbrucker auch noch ein Wirtschaftsstudium. Das geht ganz gut nebenbei, weil man sich die Trainingszeiten in der Halle flexibel einteilen kann, erzählt er. Beim Klettern wird’s aber einstweilen auch bleiben, solange es eben geht. Danach, mal sehen. Vielleicht unterrichten, zwinkert er. Auch wenn Jakob meint, dass er bis heute noch keinen Tag gearbeitet hat. Eigentlich hat es früh angefangen, das mit dem Klettern.

Der Weg nach ganz oben.

Für den Weltmeistertitel in Innsbruck galt er schon ein bisschen sehr als Favorit. Die Medien mit großen Augen und Ohren, hinter vorgehaltener Hand tuschelnd. Schon 2012 gab es Gold in Paris. Für die beste Leistung im Lead-Klettern. Aber Innsbruck war dann doch nochmal was anderes, gesteht der 27-jährige. Da kannst du gut vorbereitet sein wie du willst, um Weltmeister zu werden, muss alles zusammenspielen. Routen, Kraft, Konzentration, Ausdauer, Technik, Bewegungsflow und Zeit, vielleicht ein Quäntchen Glück. In Innsbruck hat dann alles gepasst. Und Jakob Schubert redet nicht gern um den heißen Brei herum: „Natürlich willst du Weltmeister werden, sonst machst du da nicht mit.“ Diesmal holt er den Titel nicht nur im Lead, sondern auch noch in der Kombination: dem irrwitzigen Olympia-Tris aus den Disziplinen Speed, Bouldern und Lead. Jakob Schubert zieht alle Register.

Hier die Leistung im Lead nochmal zum nachstaunen:

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Zuhause daheim.

„Du bist der Weltmeister!“ Unterbricht uns entschuldigend ein plötzlicher Einwurf. Er schüttelt dem Weltmeister energisch gratulierend die Hand und findet das großartig. Freut sich ein strahlendes Lächeln und ist wieder verschwunden. Etwas verwirrt schließe ich mich dem Einwurf an und gratuliere auch nochmal. Das Feedback ist schon ziemlich groß, gerade hier in Innsbruck, meint Jakob. Es ist halt was anderes, wenn Weltmeisterschaft und Weltmeister sich in Innsbruck treffen.  Freunde, Fans und Familie, alle da. Überhaupt das ganze Event, ausgezeichnet organisiert, komplimentiert der Profi. Und entspannt von zuhause mit dem Fahrrad zum Wettkampf, kannst du eben auch nur daheim, lacht er.

Überhaupt mag er Innsbruck einfach. Dieses Stadt-und-Land-sein. Das gibt es auf der ganzen Welt kein zweites Mal. Und überall Berge! Da kommt man immer gern zurück. Wenn die Klettersaison von November bis April Pause macht, begibt er sich in die Natur. Und geht im Zillertal oder im Niederthai im Ötztal die härtesten Wände hoch. Auch der Schleier Wasserfall hält einige anspruchsvolle Routen bereit. Im Moment hat er sich aber in eine Wand bei Nassereith verbissen. Eine 9a+, nach französischer Skala. Das ist schon ziemlich hart. Von der nächsthöheren Stufe 9b gibt es weltweit nur vier ausgewiesene Routen. Jakob ist drei davon schon geklettert. Wenn er sich in eine Route verbissen hat, dann wird sie bis zur Perfektion geklettert. Kann auch mal zwei Wochen dauern, verrät Jakob. So vergeht kein Tag an dem er nicht etwas neues lernt: Ein neuer Griff, ein geschickter Zug, eine bessere Bewegung oder ein kraftsparender Trick. Auch ein Weltmeister lernt nie aus.

Was sonst noch so passiert.

Auch abseits der Wettkampfphase war er immer schon gern ein Reisender., hauptsächlich auch zum Klettern. Man sucht sich eine ganz spezielle Route aus, und dahin reist man dann. Ein bisschen Bildungsurlaub also, aber es geht dann doch mehr ums Gesamterlebnis: Natur, Kultur ein bisschen Abenteuer. Seine Herzdame packt er einfach ein, denn gemeinsam klettert sich’s noch schöner. Gerne in Katalonien, im Nordosten Spaniens – wegen der Top-Bedingungen im Winter. Oder in Flatanger, an der Westküste Norwegens. Ein toller Ort: Viele schwere Routen, atemberaubende Höhlen (zum Klettern), stille Menschenleere und eine Unberührtheit der Natur, die man sich in Zentraleuropa fast nicht mehr vorstellen kann. Und das Gneis dort greift sich großartig. Der Weltmeister kommt ein bisschen ins Schwärmen, denn der Winter naht. Im Frühjahr beginnt dann schon wieder das Training in der Halle. Und bald auch die nächste Wettkampfsaison. Denn ans Aufhören denkt der ehrgeizige Innsbrucker noch lange nicht. Das nächste Ziel heißt Olympia, in Tokyo 2020. Mal sehen was da noch geht, grinst der Weltmeister. Irgendwann, wenn er fertig ist mit der Karriereleiter, könnte er sich ja vielleicht vorstellen sein Wissen und seine Erfahrung weiter zu geben. Ein naheliegendes Gedankenspiel, denn lernen sollte man schließlich immer von den Besten.

 

An dieser Stelle möchte ich mich abschließend nochmal ganz herzlich für das zwanglose Gespräch bei Jakob Schubert bedanken. Die Fotos hat uns Heiko Wilhelm zur Verfügung gestellt. Danke auch dafür.

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