Innsbruck Bridge

Klick. So eine Datenschutzerklärung ist ratzfatz akzeptiert. Klick. Und schon weiß der Computer Bescheid: Über dich, über mich, über alles. Besser als deine besten Freunde. Sogar besser als du selbst. Auch über Innsbruck? Wer dieser Computer eigentlich ist, was er weiß und ob man ihm glauben kann, wollte ich unlängst mal genauer wissen. Klick. Da schau her: An der Uni Innsbruck wird zum Thema sogar geforscht. Und klick, siehe da: Im Sixty an der SoWi gibt’s sogar echt guten Kaffee! Und unweit eine junge Fast-Frau-Doktor, die den Computer sozusagen sogar persönlich kennt. Im Folgenden: Mein erstes Date mit ChatGPT, ein tanzender Roboter und eine sehr ernste Angelegenheit.

Die Magistra und die Maschine

Viviana Oberhofer sieht erstmal nicht so aus, wie man sich das vielleicht vorstellt. Lebensfroh, dynamisch und hochmotiviert – ich hatte Computerfreaks irgendwie ganz anders abgespeichert. Und doch: Viviana forscht an der Uni Innsbruck zum Thema soziale Roboter und Chatbots. Bei unserem ersten Kaffee halte ich der Frau Magistra ihre eigene Vita unter die Nase, geschrieben von ChatGPT. Naja, schmunzelt die PHD-Studentin, auch der digitale Teufel liegt ganz deutlich im Detail (hier die echte Vita). Fast liest es sich formidabel, doch bein genauem Hinschauen sind Fehler versteckt, Fakten erfunden. Und das hat gute Gründe, grinst die Informatikerin, aber alles nacheinander. Ich begleite die Magistra zu ihrem Arbeitsplatz im Elfenbeinturm. „Institut für Wirtschaftsinformatik, Produktionswirtschaft & Logistik“ steht dort eingangs zu lesen, ich gähne reflexartig und verschlucke mich sogleich an einem kindlichen Freudenschrei: Am Schreibtisch steht ein kleiner, humanoider Roboter. Hi Sam, sagt Viviana und setzt sich.

Menschlich für Anfänger

Der griechische Denker Xenophanes definierte einst zwei Arten des Antropomorphismus (Mensch-Ähnlichkeit): Aussehen und Verhalten. Damit wir gewisse Modelle als menschenähnlich wahrnehmen, muss zumindest eines dieser Parameter ausreichend bedient werden, erklärt mir Viviana. Mit flinken Fingern bearbeitet sie die Eingabezeile ihrer Computer-Console und Sam (she/her) erwacht zum Leben: Die Kameras und Sensoren erfassen mich, Sam dreht den Kopf zu mir und fragt, wie es mir geht (wir sprechen Englisch). Etwas bange, gestehe ich unsicher und Sam empfiehlt mir freundlich, aber bestimmt einen Arzt aufzusuchen. Als ich Sam frage, ob sie mich begleiten möchte, schüttelt Sam traurig den Kopf – ihr fehlt noch die passende Software zum Spazierengehen. So ein „rule based system“ funktioniert im Prinzip ganz ähnlich wie Alexa, klärt mich die Wissenschaftlerin auf: Fixe Frage, fixe Antwort. Ein simples Wenn-Dann-Spiel mit vorgefertigten Code-Parametern. Wieder fliegen die Finger und Sam tanzt für uns. Als die letzte Zeile Code über den Bildschirm flimmert, surrt Sam leise auf Neutralposition zurück, dann erlischt das Licht in ihren Augen.

Freie Frage, freie Antwort

Doch sobald das „Denken“ freier wird, gestaltet sich die Sache deutlich komplexer. Genau hier forscht Viviana aktuell, am unmittelbaren Berührungspunkt zwischen Mensch und Algorithmus, an hochkomplexen KI-Chatbots, wie eben ChatGPT. Im Hintergrund arbeiten sogenannte Large Language Models (LLMs), riesige Datenbanken mit Milliarden an Parametern. Der Algorithmus wird dann trainiert diese Parameter möglichst sinnvoll zu vernetzen und Voraussagen zu treffen. Die Wahrscheinlichkeitstheorie – in mir winden sich Erinnerungen auf der Schulbank. Ganz genau, schmunzelt die Wissenschaftlerin, berechnet für jedes einzelne Wort einer KI-Antwort.

Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass wir über Chatbots schon wie über Menschen sprechen? Also mit „er“ oder „sie“, merkt Viviana an. Und genau das hat Xenophanes damals eben gemeint: Sam wirkt und bewegt sich menschlich, eine KI hingegen soll unser Denken simulieren. Je menschlicher/wahrschenlicher ihre (!) Antworten dann wirken, desto mehr neigen wir auch dazu ihr (!) zu vertrauen. Klick. Also: Was fragen wir die KI?

Richtige Frage, richtige Antwort

„Prompt engineering“, also die korrekten Eingaben in der Chat-Zeile, sind gerade ein echtes Millionengeschäft, erklärt Viviana. Zum Generieren einer treffsicheren Antwort braucht die KI eigentlich nur zwei Dinge – Datensatz und Fragestellung. Weil sich der Algorithmus aber stetig verändert und weiterentwickelt (aktuell ChatGPT 3.5), muss man für eine möglichst gute Antwort schon die Frage (Prompt) möglichst richtig stellen. Und Viviana tippt: „Zähle fünf (Anm.: Format) besondere (Qualität)  Winter-Geheimtipps (Zeit) für Outdoor und Kulturfreunde (Zielgruppe) in und um Innsbruck (Ort) auf und beschreibe im Detail, warum diese so besonders sind (Begründung).“ Und der Chatbot schickt uns durch Tirol: Bergisel Sprungschanze & Museum, dann Grawa-Wasserfälle im Stubaital, dann wieder Bergisel Panoramaweg, dann Krippenmuseum in Tulfes und abschließend durch die Haller Altstadt. Grundsätzlich nicht schlecht, aber die Wege sind weit. Außerdem: Kein knusprig-köstliches Kiachl am Altstadt-Christkindlmarkt, kein Skivergnügen auf der Nordkette nebenan, kein Lumagica-Lichtzauber im verschneiten Hofgarten und kein Besuch der Kristallwelten in Wattens?

Wir versuchen es mal mit mehr Geld, diesmal für ganz Reiche bitte: Privates Hüttendinner, Nachtspaziergang im Karwendel, Privatkonzert im Schloss Ambras, Ballonfahrt über das Inntal und geführte Bergseen-Wanderung. Dazu nur einige knappe Anmerkungen des Autors: Im Tal isst du besser, im Naturpark hat nachts echt niemand was verloren, die Akustik im Haus der Musik ist besser, im Ballon sollte man eisigen Frostwind lieben und im Innsbrucker Baggersee kann man auch ganz ohne Bergführer Eisbaden gehen. Man merkt einfach, dass ChatGPT nicht "von da" ist und trotzdem einfach so tut, als ob. Schon ziemlich frech. Wofür Viviana ChatGPT dann selbst so einsetzt? Da überarbeitet der Bot zum Beispiel neue Prüfungsfragen für die Studis oder hilft beim Programmieren. ChatGPT spricht neben „menschlichen“ Sprachmodellen nämlich auch Programmiersprachen, grinst die Magistra. (Unsere Prompts gibt‘s hier, hier und hier zum Nachzulesen.)

Das unheimliche Tal

Man muss es sagen, wie es ist: Viviana kennt sich schon echt gut mit Chatbots aus. Und ich für meinen Teil mit Texten und Empfehlungen rund um Innsbruck. Wir beide sind uns am Ende des Tages einig: Man kann mit so einem Chatbot ja ganz nett quatschen, aber allzu ernst nehmen sollte man ihn (!) dabei nicht. Ganz unten im Chatfenster sagt der Bot das übrigens sogar über sich selbst: Ohne fundierten Faktencheck sollte man sich auf gar nichts verlassen. Um diese durchaus ernste Angelegenheit noch etwas greifbarer zu machen, lassen wir Bild-KIs noch einige Schnappschüsse von Innsbruck für diesen Beitrag erfinden.

Und wieder schleicht sich das Unbehagen erst bei genauerem Hinschauen ein: Irgendwas stimmt da doch nicht, oder? Und richtig: Das sogenannte „unheimliche Tal“ (Uncanny Valley) beschreibt eine „Akzeptanzlücke“ im Anthropomorphismus, die ein (un)menschliche Modell auch als solches entlarvt. Noch merken wir den Betrug, schmunzelt die Magistra, aber wie lange noch? Im Fall von Innsbruck vertraut man also lieber weiterhin den Empfehlungen der echten Einheimischen, macht sich selbst ein Bild und genießt die Schönheit der kleinen Alpenstadt in lebensechter Authentizität. Selbst unheimliche Täler findet man hier bei Bedarf nämlich auch ganz ohne Algorithmus. Klick.

Fotos: Die Bilder von Viviana Oberhofer, Sam und dem Elfenbeinturm stammen vom Autor. Alle übrigen wurden von Adobe KI, Adobe Firefly, Midjourney und ChatGPT generiert.

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