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Was macht man, wenn die höchste Erhebung in Nähe der Heimatstadt nur an die 150 Meter misst? Ganz recht, beim Innsbruck Alpine Trailrun Festival als eines der größten Teams antreten. Die Stader Trailer machen vor, wie man mit viel Biss und etwas Augenzwinkern den Berg bezwingt.

Ich muss gestehen: Meine eigene Trailrunningerfahrung beläuft sich bislang darauf, die Serpentinen unter dem Rauschbrunnen hinaufzuhecheln und ein paar übermotivierte Kilometer in der Sillschlucht zurückzulegen. Nach Stader Maßstäben bin ich damit allerdings gar nicht schlecht im Training, was das Leiden bergauf angeht. Immerhin haben sich einige der Mitglieder schon ohne einen einzigen Höhenmeter in den Beinen an die 25-Kilometer-Distanz beim IATF, dem Innsbruck Alpine Trailrun Festival, gewagt. Wie das sein kann? Stade liegt in Niedersachsen unweit von Hamburg, satte zwölf Meter über dem Meeresspiegel. Vertikale Herausforderung bieten bestenfalls die nahen Harburger Berge mit 150 Höhenmetern oder der Schwarze Berg, 35 Meter hoch. Aus Tiroler Sicht also der Inbegriff des Flachlands. Genau aus dieser Stadt kommt mit den Stader Trailern allerdings eines der größten Teams, das alljährlich beim IATF teilnimmt. Mitglieder der ersten Stunde waren Moritz Sierwald und Jakob Schomacker, die mir einen kleinen Einblick in die ungewöhnliche Herangehensweise der Stader Trailer geben.

Geburtsstunde mit Komplikationen

Zunächst stellt sich die Frage, wie ein Rudel Norddeutscher auf Trailrunning im Allgemeinen und ein Festival inmitten der Alpen im Speziellen kommt. Am Anfang stand laut Jakob die richtige Mentalität: „Selbstkritisch gesehen, haben Stader Trailer eine Tendenz zur sportlichen Selbstüberschätzung. Das hat dazu geführt, dass uns nach einiger Zeit Straßenlaufen zu langweilig war und Höhenmeter hermussten.“ Die Verbindung zu Innsbruck stellte zunächst Moritz her, der für sein Masterstudium in die Stadt zog und 2017 die Ersten für das IATF motivierte.

Schon von der ersten Stunde an ließen die Stader Trailer einen gewissen Hang zu recht speziellem Organisationstalent erkennen, wie sich Moritz erinnert. Ähnlich wie heuer gab es späten Schneefall, woraufhin die Strecke angepasst wurde. „Beim Racebriefing haben wir natürlich nicht teilgenommen und wussten nichts von unserem Glück. Das waren im Endeffekt nochmal 300 Höhenmeter extra, also statt der 700 Höhenmeter 1.000 und 28 Kilometer statt 25.“ Den folgenden Muskelkater möge man sich an dieser Stelle vorstellen, laut Überlieferung wurden Treppen nach dem Rennen zu einem nicht zu verachtenden Hindernis. Trotz malträtierter Muskulatur überwogen die Endorphine, der Spaßfaktor sprach sich herum, und immer mehr Begeisterte wollten unter Stader Flagge ihr Glück wagen.

Challenge accepted

Wer Stader Trailer werden möchte, muss zwei Bedingungen erfüllen. Erstens läuft das Team gemeinsam mindestens die Distanz von 25 Kilometern, 2024 führt man sich auch 35 und 42 Kilometer zu Gemüte. Zweitens sollte man in Stade geboren oder aufgewachsen sein, oder zumindest einen guten Draht zu einem der bestehenden Teammitglieder haben. Wird von einem solchen dafür gebürgt, dass man über die notwendige Leidensfähigkeit und Charakterkompatibilität verfügt, darf man auch als „Non-native Stader“ die Mannschaft verstärken.  

Anstrengung, Muskelkater, Zeitaufwand – warum tut man sich so was wie Trailrunning überhaupt an? „Es verbindet Sport und Natur auf eine coole Art und Weise noch mit einem Wettkampfcharakter, den wir immer brauchen“, erklärt Jakob. Hinzu kommt laut Moritz der Abwechslungsreichtum, den Trailrunning bietet. Auf und ab, verschiedene Terrains, so werden Körper und Geist vielfältiger gefordert als bei einem vergleichsweise monotonen Lauf im Flachen. 

Das Zeug zum Trailer

Eine gewisse Freude am Wettstreit – und am sportlichen Leiden – hört man immer wieder heraus, wenn man mit den Stadern spricht. Sie betonen, den Wettkampf bis heute nicht ernst zu nehmen, doch untereinander misst man sich doch ganz gerne. Nicht zu kurz kommen dürfen dabei Teamgeist und Spaß an der Sache: Es werden zahlreiche Anekdoten über die jeweilige Unfähigkeit zur Einhaltung von Trainingsplänen zum Besten gegeben, die kleinen und großen Hoppalas zelebriert.

Bei aller Selbstironie sei an dieser Stelle betont, dass die Gruppe durchaus was auf dem Kasten hat. Immerhin absolvieren auch jene Mitglieder, die sich in ihrer Trainingsroutine besonders arg verzetteln, mehr oder weniger tapfer Distanzen, von denen der Ottonormalverbraucher schon bei der reinen Vorstellung Wadenkrämpfe bekommt. In einem sind sich die beiden Stader Trailer einig: Wer Trails auf einem gewissen Niveau laufen will, muss Leidensfähigkeit besitzen. „Für jeden ist irgendwo anders die Grenze. Man muss man schon Bock haben, ans Limit zu gehen“, so Jakob.

An besagtem Limit kratzten er und Moritz 2023, als sie sich für den OCC in Chamonix qualifizierten, einen Lauf mit 50 Kilometern Länge und über 3.000 Höhenmetern im Zuge des UTMB rund um den Mont Blanc. Die erste Reaktion, wie Moritz sie nacherzählt, fiel ganz in Stader Manier aus: „Als wir dann den Platz hatten, dachten wir: Scheiße, jetzt müssen wir ja wirklich trainieren.“

Schwankende Lernkurve

Auch wenn manche Fehler traditionell jedes Jahr gemacht werden: Die Stader Trailer sind lernfähig. Bei seinem ersten Lauf war in Sachen Professionalität noch etwas Luft nach oben, wie sich Moritz erinnert: „Beim ersten Innsbruck-Trail hatte ich keinen Rucksack, ein viel zu dickes Oberteil und eine Halbliter-Plastikflasche mit Wasser, das war quasi mein Trinkrucksack.“ Equipment der anderen Sorte trug unterdessen Jakob durchs Rennen: Eine Suppenkelle, die er nach dem Auslüften in seiner Trinkblase vergessen hatte. Neben dem Verzicht auf Kochgeräte im Gepäck und adäquate Flüssigkeitsaufbewahrung empfehlen die Stader Poles bei Distanzen von über 30 Kilometern Orientierung am Equipment der Profis und Gels (alternativ auch Quetschies) als Energieboost während des Rennens.

Stader Vollversammlung

In verschiedenen Zusammensetzungen nehmen die Stader Trailer an diversen Wettkämpfen Teil, von Kitzbühel bis zum Karwendelmarsch. In ganzer Mannschaftstärke zeigen sie sich aber nur beim IATF, denn Innsbruck hat im Vergleich zu anderen Veranstaltungsorten ein paar entscheidende Vorteile. Zunächst der fixe Termin, wie Jakob erörtert: „Es ist der Saisonauftakt in die Trailrunningsaison, das erste große ernstzunehmende Event.“ Darauf ist die Gruppe eingeschworen, der Abstimmungsaufwand bleibt überschaubar. Zudem ist die Stadt von Hamburg aus gut mit dem Zug erreichbar und bietet nicht nur ausreichend erschwingliche Unterkünfte, sondern mit dem Zieleinlauf vor dem Landestheater auch in einer Szene voller immer größer werdender Events eine besondere Atmosphäre.

Als zur Sprache kommt, dass es beim IATF für diverse Könnensstufen Distanzen gibt, regt sich in mir die Motivation, es im kommenden Jahr mit den 15 Kilometern zu versuchen. Selbstüberschätzung ist bekanntlich der Antrieb der Stader Trailer, ob die ihr Team wohl noch vergrößern wollen?

Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden, ich bin dann mal laufen.

Innsbruck Alpine Trailrun Festival

Wer den Stader Trailern und all den anderen Mutigen, die sich der Herausforderung des IATF stellen, zujubeln oder selbst etwas Rennluft schnuppern möchte: Das Innsbruck Alpine Trailrun Festival findet dieses Jahr von 2. bis 4. Mai statt.

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