Skifahren Nordkette – by Tom Bause

Der Stadel mit dem Skiverleih am Igler Dorfplatz ist schon etwas in die Jahre gekommen. Bald 50 Jahre gibt es ihn schon. Den eigentlich längst pensionierten Skilehrer Wolfgang Platzer gibt es hier sogar noch etwas länger. Wie jeden Tag sperrt er heute den Laden auf. Und weil ich mich nach etwa 20 Jahren in anderen Sportarten wieder ans Skifahren wagen will, warte ich schon an der Tür. Da lacht der alte Vollprofi nur, schenkt mir ein Glas Leitungswasser ein und legt sofort los.

Der Vater baute hinten in der Werkstatt damals noch echte Holzski, 1972 fing der Wolfgang vorne mit dem Verleihgeschäft snowsport IGLS an. Wie gut fahren S’ denn? Die Frage stellt er jedem. Die Antwort darauf ist fast immer dieselbe: Ja, schon recht gut! Und jedes Mal schmunzelt der Wolfgang dann ein erfahrenes Skilehrer-Lächeln: Weil, also der Marcel Hirscher zum Beispiel, der fährt ja auch „recht gut“. Nun denk nach: Wie lange hat es als Kind gedauert, bis du gut gehen und dann richtig rennen konntest? Skifahren schaut einfach aus (siehe Hirscher), ist aber ein hochkomplexer Ablauf (siehe Hirscher). Gut skifahren lernst du also nicht von heute auf morgen. Mindestens 30 Prozent vom Gesamterfolg macht dabei die Ausrüstung – nur der Rest ist Können.

Das Seidensöckchen im Skischuh

Die Ausrüstung muss zum Anspruch passen, erklärt der Wolfgang und vermisst meine Füße. Länge mal Breite in sogenannten Mondo-Points. Die entsprechen wiederum Zentimetern, und dass ich sonst in 42ern rumlatsche, winkt Wolfgang lässig ab: Du bist ein 27/0-er, das sieht man gleich! Ich bekomme trotzdem erst mal eine halbe Nummer kleiner. Ein psychologischer Profi-Kniff, weil dann der nächste so richtig perfekt passt. Der Schuh steuert nämlich einerseits die Kraftübertragung auf den Ski, andererseits soll auch die Sicherheitsbindung beim Sturz richtig auslösen. Hat man zu viel Spiel im Schuh, macht der Ski dann später, was er will. Nur ein einzelnes Paar Skisocken, empfiehlt der Wolfgang, und eventuell Einlegesohlen, dann muss die Sache richtig sitzen. Nun von unten nach oben die Schnallen schließen, im ganz aufrechten Stand sollte man vorn anstehen, hinten etwas Platz haben. Dann der Gehtest: Mit geschlossenen Schuhen muss man sicher und entschieden geradeaus gehen können. Volle Kontrolle trotz Klotz am Bein, Wolfgang nickt zufrieden. Er selbst trägt beim Skifahren übrigens nur so ein ganz zartes Seidensöckchen, so gut sitzt der Schuh.

Der Ski gibt den Takt vor

Bei einer Tour durchs benachbarte Skisportmuseum schwelgt Wolfgang in Erinnerungen, er kennt jede Trophäe, jedes Siegesfoto. Seit jeher versteht sich der österreichische Skisport nämlich auch im Hobbysegment als Rennsport, erklärt er grinsend. Fast wie ein Rennauto im Stadtverkehr. Man trifft da gemütliche, ältere Damen auf Race-Slalom-Ski, und am Skilift wird eifrig über Skirennen gefachsimpelt. Wie beim Nordic Walking damals, erinnert er sich, den Trend hat er auch ein bisschen mitgemacht. Eigentlich ja ein reiner Gesundheitssport – aber da ham s’ auch gleich wieder Wettkämpfe veranstaltet, lacht er. Und sogar am Snowboard stand der Wolfgang schon: als ein gewisser Jake Burton einmal frühmorgens bei ihm vor der Tür stand und ihm etwas „ganz Neues“ zeigen wollte, erinnert er sich schmunzelnd.

Zurück im Laden stellt Wolfang mir dann sein Skisortiment vor. Fast alles ist Neuware, man fährt auch im Verleih längst am Puls der Zeit. Der Riesenslalom-Ski ist zum Beispiel eine echte Rennsau, braucht viel Kraft, fährt ein hohes Tempo mit weiten Schwüngen und ist im Tiefschnee (sowie für die meisten Pensionistinnen und Pensionisten) völlig ungeeignet. Der Slalom-Carver eignet sich mit aggressiver Taillierung für kürzere Schwünge, erfordert jedoch hohes Können sowie harte Pisten und ist für Einsteiger darum auch noch eine Nummer zu krass. Der Sport-Carver ist da schon weicher und agiler, besitzt unterm Fuß mehr Breite und auch einen sogenannten Rocker – die Aufbiegung des Skis beginnt also früher, dreht den Ski besser in die Falllinie, sorgt für mehr Auftrieb im Powder, macht ihn aber auch etwas laufunruhiger. Ein Allmountain-Ski ist nochmal etwas breiter und fährt so ziemlich überall recht gut – ganz im Gegensatz zum Anfänger oder Wiedereinsteiger, grinst der Wolfgang mich an. Für mich empfiehlt sich darum ein Allround-Ski, der noch eine Spur weicher und leichtgängiger läuft, alternativ der Allround-Carver für etwas schärfere Kurven und eine Prise sportlichen Biss.

Der Stock macht die Musik

Mit den beiden Allround-Ski hätten sicher 90 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer leicht genug, rein vom Fahrkönnen her, zwinkert der erfahrene Skilehrer. Aber einige verlangen im Laden beispielsweise ganz souverän einen Twin-Tip – der ja eigentlich ausschließlich für Park und Freestyle konzipiert wurde. Da ist die Bindung ganz anders montiert, der Drehpunkt kommt aus der Hüfte, eigentlich ist es das Schlimmste, was du als Einsteiger machen kannst. Und dann wollen s’ auch ganz ohne Stecken fahren! Ein Trend, an dem wohl auch die Skischulen Mitschuld tragen: Beim kleinsten Kinderkurs sind die Stecken anfangs nämlich nur im Weg. Das sehen die Eltern, lassen ihre Stecken auch stehen, und plötzlich fahren alle ohne. Und trotzdem: Ab sechs Jahren sollte man für die richtige Skitechnik unbedingt mit Stecken fahren, empfiehlt der Lehrer. Dafür einfach den Arm im rechten Winkel an den Körper legen, und schon hast du die perfekte Skistock-Länge in der Hand.

Echte Profis unter sich

Natürlich gibt’s aber auch hier echte Profis: Der Michl zum Beispiel, der kaufte sich kürzlich erst die ganz schnellen Leki-Stecken, die aerodynamisch geformten, die mit den roten Handschuhen dran. Fünfmal fährt der vielleicht im Jahr, zwinkert der Wolfgang. Gerade als Gelegenheitsfahrer bietet der Verleih nebst bester Beratung auch den Vorteil, immer wieder etwas Neues zu probieren, zudem ist das Equipment immer perfekt servicegepflegt. Ein gut gewachster und geschliffener Ski fährt sich einfach weicher, drehfreudiger und sicherer. Viel zu schnell fällt man „in der Stadt“ auf ein verlockendes Angebot herein, hat sich dann so ein tolles, teures Set gekauft – und wird damit doch nie glücklich. Dabei kann Skifahren doch so schön sein, schwärmt der Wolfgang zum Abschied. Ein paar Tipps für Skigebiete gibt er mir noch mit: die Mutterer Alm, die Schlick 2000 (besonders schön: die Panoramabahn Kreuzjoch), das Gebiet Glungezer, den Patscherkofel und das Rangger Köpfl. Von Innsbruck natürlich alle bequem mit kostenlosen Skibussen erreichbar. Und wer schlau ist, schnappt sich dafür einfach gleich den SKI plus CITY Pass – mit 13 Skigebieten, 296 Pistenkilometern, 111 Bahnen und Liften, fünf Möglichkeiten für Nachtskilauf und noch allerhand mehr.

Ich für meinen Teil weiß jetzt jedenfalls, was ich will und brauche. Zumindest beim Skifahren. Bis bald, winke ich noch, und treffe an der Bushaltestelle am Dorfplatz noch den Wegebereiter Michael Kozubowski. Wie immer bei der Arbeit, aber hocherfreut über meinen Besuch in Igls und bei Nachbar Wolfgang. Natürlich muss er mir da gleich von den neuen Leki-Stecken erzählen. Die aerodynamisch geformten, die mit den roten Handschuhen dran. Damit will er nun wieder in jeder freien Minute skifahren. Und wenn allein die gute Ausrüstung solche Ski-Vorfreude zündet, dann hat Nachbar Wolfgang doch wieder mal alles richtig gemacht.

Fotos: Die Bilder im Beitrag stammen vom Autor. Das Beitragsbild hat Tom Bause auf der Nordkette geschossen. 

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