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Wenn der Frühling seine ersten warmen Tage schickt und der letzte Schnee der Sonne weicht, dann wollen wir endlich wieder wandern. Raus in die Wildnis und wunderschöne Wege erkunden, unterwegs ein Sonnenplatzl zum Sitzen finden und Schritt für Schritt durchs Schöne schlendern. Wer eigentlich all diese Wege hegt und pflegt, fragt man sich da mitunter öfter. Meine Suche nach Antworten führt südlich von Innsbruck nach Igls, wo der wohl wichtigste Wegebereiter der Stadt sein Werk verrichtet.

Michael Kozubowski ist ein echter Igler und von Geburt an im Dorf daheim. Er wächst wie alle Landkinder draußen in der Natur auf, damals, vor dem Internet. Das kleine Bergdorf, die Bauern und Familien, auch die umliegenden Wälder und Gewässer kennt er bald wie seine Westentasche. Als jungen Mann zieht es ihn kurz als Fern- und Busfahrer hinaus in die Welt, doch schon bald hat ihn die Heimat wieder. Seit 2001 steht er im Dienst des Innsbrucker Tourismusverbandes. Dort kümmert er sich von Rinn bis Ellbögen um alle Bikestrecken, Wanderwege, Steige, Schilder, Reparaturen und alles, was eben sonst noch so anfällt. Herr Kozubowski ist so ein Mann der Marke Macher, das verrät schon der bärenstarke Händedruck. Viel Zeit hat er heute nicht, weil doch immer recht viel Arbeit wartet. Aber kurz schaffen wir schon, schmunzelt der Michael pflichtbewusst – unter Landkindern duzt man sich.

Immer am Weg

Der Dorfplatz macht hier keine halben Sachen. Vom Bus steht man mit nur einem Schritt im Grün, ein penibel gepflegter Golfrasen, den mächtigen Mäher fährt Michael natürlich selbst. Aber auch Bagger, Busse, Lastwagen und Gabelstapler – er ist ein Mann mit Möglichkeiten. Nur bei Regenwetter widmet er sich den lästigen Büroarbeiten, viel lieber ist er unterwegs, irgendwo draußen „am Weg“, wie man in Tirol zu sagen pflegt. Fünf Mann mit fünf Pickups kümmern sich bei Innsbruck Tourismus ganzjährig um die Wege in der Region, eigentlich ja ein Job ganz ohne Pausen. Da ist man manchmal sogar um den Regen froh, lacht der Landschaftspfleger und blickt nachdenklich in die Wolken. Weil auch sonst ist ja recht viel zu tun, den edlen Foto-Bilderrahmen am Dorfplatz hat etwa sein Sohn geschweißt, auch die schmucke Abdeckung für den Maibaumsockel. Manchmal schreckt Michael nachts auf, muss so eine Idee notieren, und am nächsten Morgen setzt er sie dann um.

Stichwort Gatter

Michael arbeitet immer. Sogar dann, wenn er eigentlich nicht arbeitet. So definiert sich kein Job, sondern eine handfeste Leidenschaft. Da hält er auch privat und in anderen Wandergebieten gern mal die Augen nach guten Ideen offen – Stichwort Gatter. Wer in alpinen Almlagen nämlich Weideflächen begegnet, findet dort mitunter derart ausgefuchste Toranlagen, dass man einfach staunend stehenbleibt. Mit Stein, Seilzug und Schloss vollautomatisch selbstschließend, weil manche Wandergäste halt gern alles offen stehenlassen. Anderweitig hat er unlängst einen Tipp bekommen, von einem sagenhaften Sonnenplatzl – aber ganz ohne Bankl! Sogleich macht sich der Michael also selbst auf den Weg: Und wahrlich, hier ist’s wirklich schön – und bald steht auch ein Bankl da. Für die Ausführung etwaiger Sonderarbeiten werden übrigens ausschließlich örtliche Betriebe beauftragt – man kennt sich und man kennt die Wege, das macht vieles leichter. Auch bei den Bauern, wo viele Wege doch sehr gemeinschaftlich über die Grundstücke verlaufen. Und wieder Stichwort Gatter.

Alle Jahre ein Theater

So wird als Wegebereiter doch auch sehr viel vermittelt. Oft klingelt bei unserem Gespräch das Mobiltelefon, ständig grüßt jemand im Café, mit wenigen Worten weiß Michael dann viel zu sagen. Es ist Frühjahr, und die Wegearbeiter haben Hochsaison. „Wobei, das haben wir eigentlich immer“, lacht Michael und wischt ein paar Fotos über das Display. Die alte Panoramatafel am Rastplatz der A13, im Winter theoretisch sogar beheizt, praktisch aber natürlich dauernd kaputt und mittlerweile gottlob abmontiert.

Bilder von der IOC-Rad-WM, wo der französische Streckenposten die Innsbrucker Fahnen partout nicht im Bild haben wollte und Michael sie ein knappes Telefonat später nur wenige Meter weiter und noch besser sichtbar auf Bauerngrund positionierte. Oder der fünf Tonnen schwere Felsbrocken, der nach einer Lawine mitten am Wanderweg lag und nur mit den vereinten Kräften von Bauern, Gemeinde, Militär und Michael entfernt werden konnte. Der Zirbenweg am (Patscher)Kofel ist schon alle Jahre ein Theater, lässt mich der Kenner wissen.

Die verschwundene Gipfelstube

Ein bisschen Detektivarbeit ist das Tagwerk von Michael manchmal auch. Weil, wenn der Zähler am Jochleitenweg 1.500 bis 3.000 Wandergäste täglich zählt, welcher hat dann das Schild als Souvenir abmontiert? Letztes Jahr allein sind so 40 Schilder im Verbandsgebiet verschwunden. Besonders beliebt war da die „Gipfelstube“, das war acht oder neun Mal pro Jahr weg. Vielleicht gibt es die Gipfelstube genau darum heute nicht mehr, weil sie dann keiner mehr gefunden hat, sinniert der Wegebereiter. Oder ob die am Ende auch noch einer mitgenommen hat? Der Michael hat beim Heiligwasser dann jedenfalls eine Wildkamera aufgestellt und den immergleichen Schilderschurken in flagranti ertappt.

Apropos Wasser: Für die Kneippanlage wurde erst kürzlich eine Quelle mit Brunnen gefasst – das Kneippbecken füllt nun der Überlauf. Eingelassen wird’s aber erst am zweiten Mai – sonst waren nach dem vergnüglichen Feiertag im Freien immer so viele Kinder krank. Und mit Eltern legst du dich da besser nicht an. Warum er diesen Knochenjob trotzdem so liebt? Weil ihn die Freude anderer so glücklich macht, wie den Koch, der einfach bärig gekocht hat! Eine letzte Frage noch, dann muss er wirklich wieder los: Was er macht, wenn er einmal wirklich frei hat, das Handy abschaltet und nicht erreichbar ist? Dann geht er am liebsten Segeln, sagt er. Urlaub am Wasser, dort, wo keine Wege sind.

Fotos: Das Coverbild und den Sonnenaufgang in diesem Beitrag hat Markus Mair am Patscherkofel geschossen. Bankl und Gipfelstube sind Erinnerungen von W9 Studios. Die Bilder von Michael stammen vom Autor und alle weiteren von Michael Kozubowski höchstselbst.

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