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Eine meiner schönsten Erinnerungen zum Osterfest ist das familiäre Fastenbrechen. Während sich der Nachwuchs munter müht, alle Osternester zu finden, deckt der Rest schonmal den Tisch für Omas Osterpinze. Mittlerweile ohne Oma, muss ich beim Osterbackwerk selber ran – und begab mich dafür unlängst auf die Suche nach einem entsprechend würdigen Traditionsrezept. Bei der Brotschmiede in der Innsbrucker Markthalle traf ich Bäckermeister Philipp und wurde fündig. Gerade noch rechtzeitig vor Ostern, weil so eine Sauerteig-Dinkelpinze braucht viel Zeit und Liebe. Warum sich der Aufwand aber längst nicht nur zu Ostern lohnt, lest ihr hier.

Ostern ist schon ein ziemliches Durcheinander. Da vermischen sich heidnische, christliche und jüdische Bräuche ja zu durchaus kuriosen Traditionen. Hase versteckt Eier zum Beispiel, oder auch Palmbuschen durchs Dorf tragen. Damit Ostern nochmal mehr Spaß macht, kann man vorher auch 40 Tage fasten. Weil es das jüdische Volk bei seiner biblischen Vertreibung aus Ägypten (siehe Moses und das Meer) damals recht eilig hatte, verzichtet man beim Fasten auch gern auf Sauerteige. Die mussten bei der überstürzten Flucht damals nämlich zurückbleiben, und daran erinnert sich das Brot eben bis heute. Weil reine Backhefe erst ab 1846 industriell hergestellt wurde, blieben ohne Sauerteig damals nur fade Mehlfladen. Dass daher wiederum die Oblaten in der Kirche kommen, ist nett zu wissen, aber hier etwas nebensächlich. Wir wollen uns heute nämlich einem Sauerteig-Striezel widmen, der den traditionellen Oster-Hefezopf ziemlich alt aussehen lässt. Sorry, Oma.

Sauer macht luftig

Bäckermeister Philipp steht sonst eigentlich in der Brotschmiede-Backstube in Hall. Heute ist er aber extra in die Filiale in der Innsbrucker Markthalle gekommen, um mich zu treffen. Und mir dort gleich alle seine Geheimnisse zu verraten, so hoffe ich. Irgendwo in mir schlummert nämlich ein leidenschaftlicher Bäcker, das weiß ich. Weil man dafür aber sehr früh aufstehen muss, lasse ich meinen Bäcker lieber liegen und besuche stattdessen den Brotschmied in der Markthalle. Um zehn Uhr morgens ist Philipp mit seinem Tagwerk schon längst fertig und reicht gerade eines seiner backfrischen Brote über die Ladentheke. Reines Urkorn, vom Familienbetrieb angebaut und vermahlen, nur mit Sauerteig (statt Hefe) und Sole (statt Salz) gebacken. Backhefe ist nämlich nur ein Beispiel von vielen, um sich bei Brot und Teigführung viel Zeit zu sparen, zwinkert der Meister. Alle Zutaten für echte Backkunst gibt’s übrigens direkt bei der Brotschmiede: Dinkel- oder Emmermehl (Weizen-Urkorn aus der Steinmühle) sind immer lagernd, sogar den Sauerteig-Starter gibt’s auf Anfrage im Glas.

Ist doch Ährensache

Gutes Brot fängt bei der Ähre an, klärt mich der Meister auf. Daheim am Hof in der Schwäbischen Alp werden die Ursorten angebaut und auch direkt dort zu feinstem Mehl vermahlen. Während die Backindustrie Mehl und Mahlgrad an die Maschinen anpasst, passt sich der Bäckermeister an sein Mehl an. Wie genau, verrät die Mehlanalyse aus dem Labor – und jahrelanges Fingerspitzengefühl.

Alles aus einer Hand beim Philipp also, weil nur so lässt sich der hohe Qualitätsstandard seiner Backwaren halten. Dass die alten Ursorten, da eben nicht hochkommerziell überzüchtet, auch besser verträglich sind, beweisen gleich einige Anekdoten aus der Backstube, wo manch verdauungssensible Kundschaft vom Arzt hingeschickt wurde, Brotrezept gleich inklusive. Da lacht der Bäckermeister dann und empfiehlt fröhlich sein gesamtes Sortiment, weil da eben alles besonders gut bekömmlich ist. Länger lagern lassen sich solche Sauerteig-Erzeugnisse außerdem – im geschlossenen Backrohr und in ein Geschirrtuch gewickelt, bleibt so ein Brot sogar wochenlang frisch.

Dinkel-Sauerteig-Osterpinze

Sein Bäckerrezept für die sensationelle Sauerteig-Osterpinze sortiert mir Meister Philipp handschriftlich auf einen Zettel. Es ist exakt die gleiche Rezeptur, die man zu Ostern auch in den Filialen der Brotschmiede finden kann. Wer sich Zeit und Arbeit sparen möchte, kann dort aber auch einfach vorbestellen (bis spätestens Donnerstag für Abholung am Samstag). Ich habe mich allerdings schon am Rezept versucht und bin restlos begeistert – ganz große Back-Empfehlung!

Zutaten:

1000 g Dinkelmehl
300 g Vollmilch
100 g Ei
100 g Butter
60 g Roggensauer
50 g frische Hefe
10 g echte Vanille
etwas Zitronenabrieb
eine Prise Salz

Fürs Dampfl (Vorteig) 10 Prozent Mehl und 10 Gramm Hefe mit etwas warmem Wasser quellen lassen. Anschließend mit allen übrigen Zutaten zu einem glatten Teig rühren und kurz, aber kräftig durchkneten. Den Teig dann in einer Schüssel mit Frischhaltefolie oder feuchtem Küchentuch abdecken und an einem ruhigen, warmen Ort so lange gehen lassen, bis sich sein Volumen verdoppelt hat. In der Folge wieder aus der Schüssel stürzen und so lange ziehen und falten, bis der Teig gut Spannung hat. Dann portionieren, in passende Striezl-Form bringen, mit (Rest-)Ei-Milch-Mischung bestreichen und nochmal etwa eine halbe Stunde in Ruhe gehen lassen.

Inzwischen das Backrohr (mit zwei Backblechen) auf 220 Grad vorheizen. Sobald die Sauerteig-Osterpinze in den Ofen wandert, nochmal mit Milchei bestreichen, etwas kochendes Wasser aufs untere Backblech gießen, Ofen auf 200 Grad zurückdrehen und 10 Minuten im Dampf backen. Dann das Wasser-Backblech entfernen, 10 Minuten auf 180 Grad fertigbacken lassen und für die letzten 1–2 Minuten die Temperatur (bei Bedarf) wieder hochdrehen, bis die Osterpinze goldbraun glänzt.

Tipps zum Teig

Zum Abschied sammelt der Meisterbäcker noch ein paar Teig-Tipps für mich: Wird der Sauerteig einmal etwas zu sauer, einfach mit einem Schneebesen schaumig aufschlagen, das macht ihn wieder milder. Brotteig sollte beim Kneten außerdem eher kühl bleiben, denn schon ab 37 Grad Celsius (Körpertemperatur) zerfällt das Klebe-Eiweiß-Gluten im Teig. Dagegen hilft eine Knetmaschine, eine Handvoll Eiswürfel im Wasser, mehr Rühren als Kneten und eine längere Teigruhe (Quellknetung). Echt gutes Brot braucht nämlich vor allem eines: Zeit. Und sich wieder mal wirklich Zeit für etwas Schönes zu nehmen, lehrt Sauerteig nicht nur zu Ostern. Das lohnt sich immer.

Noch ein letzter Tipp am Ende: Weil Umwelt und Nachhaltigkeit guten Brotschmieden wichtig sind, sind manche Waren in den Filialen manchmal ausverkauft. Das war anfangs für manche unangenehm, aber eigentlich ist es nur eine Erziehungsfrage, schmunzelt der Bäcker. Wegschmeißen ist pfui und Genügsamkeit eine Tugend, die ja auch das Fasten lehrt. Aber Teufel auch: Fürs Fastenbrechen und alle anderen Gelegenheiten gibt’s online einen Shop zum Vorbestellen. Für Spezial-Bestellungen, wie etwa einen Ableger der beiden Bäcker-Sauerteige, schickt man einfach hier eine Mail.

Fotos: Alle Bilder im Beitrag wurden vom Autor selbst geschossen.

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