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Diese Frage hat das Zeug zur Millionenfrage: Zweimal im Jahr verändert der berühmte Altar des Doms zu St. Jakob in Innsbruck sein Antlitz: im Advent und in der Fastenzeit. Doch was ändert sich? Das vorösterliche Brauchtum in Innsbruck und seinen Feriendörfern wartet mit einigen weiteren Überraschungen auf.

Hand auf‘s Herz: Wem ist es wirklich schon einmal aufgefallen, dass sich pünktlich zur Fastenzeit im Inneren des Domes zu St. Jakob etwas ganz grundlegend verändert? Etwas, was sich auch im Advent wiederholt. Nein, es ist nicht das wunderschöne Mariahilfbild aus der Hand des Meisters Lucas Cranach d.Ä. das ‚verschwindet‘. Das ‚Gnadenbild‘ ist auch in der Fastenzeit zu sehen. Aber das Drumherum verändert sich.

Uns allen bekannt ist der Altar von St. Jakob, der von Gold und Silber funkelt. „1712 fertigte der Goldschmied Anton Kuprian diesen prächtigen Silberaltar“, weiß Dr. Lukas Morscher, Chef des Innsbrucker Stadtarchivs. „Der Stifter, Karl Philipp von der Pfalz-Neuburg gab dieses Meisterwerk aus Silberblech in Auftrag. Wolken, Strahlen, Engel mit verschiedenen marianischen Attributen und allerlei Himmelsstrahlen verleihen dem Altar seither ein einzigartiges Aussehen.“ Genauso lange rahmt der Altar nun das Marienbild ein.

Das berühmte Lucas-Cranach-Bild "Mariahilf", wie es während des Kirchenjahres von Gold und Silber umgeben ist.

Das berühmte Lucas-Cranach-Bild „Mariahilf“, wie es während des Kirchenjahres von Gold und Silber umgeben ist. Diese Aufnahme wurde mit dem Digiscoping-System von Swarovski-Optik gemacht.

Dieser offensichtliche Prunk erschien den spätmittelalterlichen Kirchenvätern in der Fastenzeit doch etwas üppig. Sack und Asche und nicht Pomp und Trara waren ja vor Ostern angesagt. Der goldglänzende Altar passte so ganz und gar nicht in die Leidenszeit Christi. Er musste so gut es eben ging verdeckt werden. Morscher: „Der Maler Josef Schöpf erhielt 1788 den Auftrag, das karg gehaltene Altarbild mit dem heiligen Jakobus und den heiligen Alexius, also die beiden Kirchen- und Stadtpatrone zu schaffen.“ Um mit ihm zur Fastenzeit aber auch im Advent allzuviel Glamour des Altars quasi zu übertünchen. 

Das Antlitz des Hochaltars im Innsbrucker Dom in der Fastenzeit. Vom Gold- und Silberglanz ist nichts mehr zu sehen.

Das Antlitz des Hochaltars im Innsbrucker Dom in der Fastenzeit. Vom Gold- und Silberglanz ist nichts mehr zu sehen.

Einzigartig: das Fresko am Cafe Munding in der Altstadt zeigt überraschenderweise den Fastenaltar.

Einzigartig: das Fresko am Cafe Munding in der Altstadt zeigt den Fastenaltar. Trotz der Kuchenfülle im Cafe…

Aber wie kommt das Fastenbild auf den gold-silbernen Hochaltar? „Dafür gibt es einen eigenen Mechanismus“, sagt Morscher. „Zuerst wird der silberne Altar auf schweren hölzernen Rollen mit Hilfe einer großen Kurbel etwa 40 cm nach hinten verschoben, das Cranach-Bild bleibt aber an seiner angestammten Position. Anschließend wird mit einer zweiten Kurbel das Bild von Schöpf mit den riesigen Dimensionen von 6,47 auf 2,65 m von unten mit einem Flaschenzug in den freien Zwischenraum gezogen. Dann wird das Mariahilfbild von hinten in den ausgesparten Teil des Bildes geschoben.“

Götzens: Eine Krippe zur Fastenzeit

Die Wallfahrtskirch Peter und Paul in Götzens

Die Wallfahrtskirche Peter und Paul in Götzens

Die Fastenkrippe ziert zur Fastenzeit die Westseite der Wallfahrtskirche Peter und Paul in Götzens

Die Fastenkrippe ziert zur Fastenzeit die Westseite der Wallfahrtskirche Peter und Paul in Götzens

Und wer sich für uraltes und doch eher ungewöhnliches Brauchtum im Umkreis von Innsbruck interessiert, wird in der Wallfahrtskirche Peter und Paul zu Götzens fündig. Dort wird in der Fastenzeit eine sogenannte ‚Fastenkrippe‘ ausgestellt. Sie stammt aus dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts und weist die beachtlichen Ausmaße von 4,60 m auf 1,30 m auf.

Lebensfrohe Farben und eine künstlerisch sehr anspruchsvolle Gestaltung verleihen den Papierfiguren der Fastenkrippe ein einzigartige Dynamik. Die Darstellung ist oft blutig und nicht zimperlih. Wie zum Beispiel hier im Hintergrund: der erhängte Judas, der Teufel in Form eines Fabeltieres und eine Katze, die sich der Silberlinge annimmt.

Lebensfrohe Farben und ihre künstlerisch sehr anspruchsvolle Gestaltung verleihen den Papierfiguren der Fastenkrippe ein einzigartige Dynamik. Die Darstellung ist oft blutig und nicht zimperlich. Wie zum Beispiel hier im Hintergrund: der erhängte Judas, dem die Zunge heraushängt, der frohlockende Teufel in Form eines Fabeltieres und eine Katze, die sich der Silberlinge annimmt.

Fastenkrippen waren in Tirol früher gar nicht so selten. Ich denke, dass die Kirchenfürsten ihren des Lesens und Schreibens unkundigen Schäflein eine Gelegenheit bieten wollten, das Leiden des Jesus Christus verständlich und höchst spannend begreifen zu können. In Götzens werden insgesamt 31 Szenen mit rund 200 Figuren nachgestellt. Die Figuren stammen aus der Barockzeit und bestehen ausnahmslos aus bemaltem Papier. Besonders eindrucksvoll, ja geradezu rustikal wird der erhängte Judas präsentiert. Dem hängt einerseits die Zunge heraus und auch der Judaslohn ist flöten. Eine Katze hat den Geldbeutel auf den Baum geschleppt. Und dann noch den frohlockenden Teufel, der als Fabeltier links unterhalb des Judas den eben gefangen genommenen Jesus Christus auch noch schmäht. Aber auch die restlichen Szenen sind nicht von schlechten Eltern.

Jesus wird dem Pilatus vorgeführt. Auffallend ist der dreieckige Nimbus anstelle des runden Heiligenscheines, der die Jesusdarstellungen der Fastenkrippe einzigartig macht.

Jesus wird dem Pilatus vorgeführt. Auffallend ist der dreieckige Nimbus anstelle des runden Heiligenscheines, der die Jesusdarstellungen der Fastenkrippe einzigartig macht.

Auffallend dick und fett, ja geradezu ausgefressen-wollüstig dargestellt wird Pilatus auf einer Empore. Er wird umgeben von Würdenträgern in Landsknechtkleidern, wie sie im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts üblich waren. Die Waffen – Hellebarden und Lanzen – scheinen nocheinmal die vergangene Ritterzeit zu zitieren. Und hier fällt eine Besonderheit der Götzener Fastenkrippe auf: der sonst übliche Heiligenschein Christi wird durch einen Nimbus, ein goldenes Dreieck ersetzt.

Christus wird die Dornenkrone aufgesetzt.

Christus wird die Dornenkrone aufgesetzt.

Erinnerungen an die Kindheit: die leuchtenden Farbkugeln des Ostergrabes

Besonders in der Umgebung von Innsbruck hat sich ein ganz spezieller Brauch erhalten, der des Ostergrabes. Von Karfreitag bis nach Ostern wird das Grab Christi dargestellt. Und das Eigenartige daran sind die wassergefüllten Buntglaskugeln, die von der Rückseite her mit einer Kerze beleuchtet werden. Mich erinnert das immer an die Kindheit, als ich am Karsamstag zum Rosenkranz in die Kirche gehen musste. Schaurig schön irgendwie.

Ostergräber haben in Innsbruck und seinen Feriendörfern eine lange Tradition. Das Tiroler Volkskunstmuseum beherbergt eine Miniatur-Version, die die Mystik eines Ostergrabes jedoch wunderschön widergibt.

Ostergräber haben in Innsbruck und seinen Feriendörfern eine lange Tradition. Das Tiroler Volkskunstmuseum beherbergt eine Miniatur-Version, die die Mystik eines Ostergrabes jedoch wunderschön widergibt.

Palmeselritte als Volksfeste

Nahezu selbstverständlich in der Umgebung von Innsbruck war es, den Einzug Christi in Jerusalem quasi in natura darzustellen: die Palmeselritte erfreuten sich allergrößter Beliebtheit, wenn man den Chroniken glaubt. War kein Esel greifbar, wurde eine Holzfigur mitgeführt, die Christus auf einem Esel reitend darstellte. Bei den Umzügen kam es allerdings zu allerlei Missbrauch und Schabernack. Alte Chroniken berichten von wahren Volksfesten mit Jux und Tollerei. Und das in der Fastenzeit, das ging gar nicht. Die Eselei wurde deshalb vor etwa 200 Jahren kurzerhand verboten. Nur vereinzelt lebte der Brauch später wieder auf. Wie in Thaur. Dort wird am Palmsonntag eine hölzerne Figur des auf einem Esel reitenden Christus im Rahmen einer Prozession zur Romediuskapelle mitgeführt.

Lange waren die Palmeselritte in der Umgebung von Innsbruck verboten. In Thaur wurde der Brauch wieder belebt. Diese Holzfigur des reitenden Christus befindet sich ebenfalls im absolut sehenswerten Tiroler Volkskunstmuseum.

Lange waren die Palmeselritte in der Umgebung von Innsbruck verboten. In Thaur wurde der Brauch wieder belebt. Diese Holzfigur des reitenden Christus befindet sich ebenfalls im absolut sehenswerten Tiroler Volkskunstmuseum.

Meine weiteren Tipps: Auch in Zirl wird eine sehenswerte Fastenkrippe ausgestellt. Am Palmsonntag wird in allen Dörfern in der Umgebung von Innsbruck der Brauch des Palmlatten-Tragens gelebt. Und wer noch mehr Kirchen in Innsbruck entdecken will, findet hier Inspiration und noch mehr spannende Infos.

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