Märchengasse

„Es war einmal …“ – so fangen Märchen an, und passenderweise möchte ich auch die Geschichte der Märchengasse so beginnen. Es war einmal eine Dekorateurin namens Margit Riedmann, ihr Herz schlug für die Kunst, und ihr Kopf war voller Ideen. So kam es, dass sie damals, vor 25 Jahren, maßgeblich an der Entstehung der Märchengasse beteiligt war. Das vorweihnachtliche Treiben spielte sich hauptsächlich in der Herzog-Friedrich-Straße am Christkindlmarkt ab. Nur wenige Touristen verirrten sich in die Kiebach- oder Seilergasse. Das war den dort ansässigen Kaufleuten natürlich nicht recht. Doch wie konnte man die Leute in die kleinen, verwinkelten Gassen abseits von Punsch und Kiachl locken? Margit Riedmann, die bereits für die Dekoration des Bettwäsche- und Heimtextilien-Fachgeschäfts Tyrler zuständig war, hatte die perfekte Idee: Sie wollte lebensgroße Märchenfiguren aufhängen. Die damalige Bürgermeisterin Hilde Zach und Dr. Karl Gostner, der zu dieser Zeit für den Christkindlmarkt verantwortlich war, waren von dem Vorhaben begeistert, und so entstand 1998 die Märchengasse.

Neue Bewohner in der Kiebachgasse

Der Froschkönig, Frau Holle, Max und Moritz sowie Rapunzel waren die ersten Märchenfiguren, die die Häuserfassaden schmückten. Schnell nahm die Idee Fahrt auf. Schon im zweiten Jahr wurden aus den anfänglichen vier Märchen 28. Unternehmer, die bei ihren Mitbewerbern sahen, wie gut die Figuren ankamen, wollten nun ihre eigene, zum Geschäft passende Figur. So entstanden die Märchenpatenschaften

Wie alles begann ...

Markus Riedmann, Ehemann der leider 2016 an Leukämie verstorbenen Künstlerin Margit Riedmann, erzählt, wie viel Arbeit und Herzblut in dem Projekt steckt: „Die ersten Jahre waren die stressigsten“, erinnert er sich. „Anfangs diente unsere Wohnung als Werkstatt.“ Irgendwann ging das natürlich nicht mehr, der Platz war begrenzt, und Frau Riedmann wechselte in einen Raum des Waldorf-Kindergartens. Hergestellt wurden die Figuren unter anderem aus Holzplatten, Drahtgestellen und Pappmaché. Wetterfest wurden sie durch Bootslack. „Margit war ausgebildete Dekorateurin, aber hauptsächlich Autodidaktin. Sie verbrachte Stunden in der Tyrolia und schmökerte in Büchern, immer auf der Suche nach Inspirationen. Selbst in unseren Urlauben waren wir auf der Suche nach neuen Ideen“, erklärt Herr Riedmann.

Eine Künstlerin mit großem Herz

Frau Riedmann war nicht nur Dekorateurin und „Mutter“ der Märchenfiguren, sie war auch als Kunsttherapeutin tätig. Zudem engagierte sie sich für wohltätige Zwecke und initiierte Hilfsprojekte. So wurden beispielsweise von bekannten Künstlern, Menschen mit Behinderungen und an Demenz Erkrankten Stoffstücke bemalt, welche zu einer Patchworkdecke zusammengenäht wurden. Die Decke wurde versteigert, und der Erlös kam der Onkologie der Frauenklinik Innsbruck zugute. Herr Riedmann beschreibt seine Frau als wahre Künstlerin, die für ihre Passion lebte und vor Ideen und Tatendrang sprudelte.

Für Unterhaltung ist gesorgt

Die Märchengasse ist nun seit 25 Jahren ein „Must-See“ in der Vorweihnachtszeit und Schauplatz verschiedenster Events und Veranstaltungen. Kulturell hat sich immer viel getan. In vergangenen Jahren gab es beispielsweise ein Märchenbüro mit Bastelraum und eine Märchenerzählerin, die durch die Kiebachgasse führte. Heute kann man sich die Märchen problemlos downloaden. Recht praktisch, wie ich finde. Vielleicht geht es ja nur mir so, aber ich könnte meinen Kindern nicht alle Märchen aus dem Stegreif erzählen, und so habe ich sie mit nur einem Klick auf meinem Handy. Kleine Künstler können auch heuer wieder am Malwettbewerb teilnehmen. Die schönsten Zeichnungen werden belohnt und unter dem Christbaum vor dem Goldenen Dachl ausgestellt.

Märchenzauber am Theaterwagen

Wer sich die Märchen aber lieber ansieht als sie zu lesen, ist auf der Märchenbühne in der Kiebachgasse genau richtig. Seit einigen Jahren ist sie nun schon fester Bestandteil der Märchengasse und erfreut sich großer Beliebtheit. Das Westbahntheater entführt die Zuschauer dort zweimal täglich in die Welt der Gebrüder Grimm. Welches Märchen wann gespielt wird, findet ihr hier.

Die Riesengasse

Ein weiteres Highlight – und nicht weniger beeindruckend als die Märchengasse – ist die Riesengasse. Wie der Name unschwer vermuten lässt, erwarten die Besucher dort etwas größere Gesellen. Die Idee, die Märchengasse zu erweitern, stammt von Klaus Plank vom Gasthof Hotel Weißes Rössl. Das Ziel der Riesengasse ist ein ähnliches: den Christkindlmarktbesucher in die Seitengassen der Altstadt zu bringen. Allerdings wollte man die Riesengasse etwas anders gestalten. Die Künstlerin und Dekorateurin Michaela Kammeringer Karbon wurde, nachdem sie mit ihrem Prototyp überzeugte, damit beauftragt, die Figuren der Riesengasse zu bauen.

„Anfänglich war von drei Riesen die Rede“, erinnert sich Frau Kammeringer Karbon, „allerdings sollten es dann doch vier werden.“ In Anbetracht der Tatsache, dass dies im Sommer beschlossen wurde und man bis auf einen Prototyp und Skizzen noch nicht viel hatte, schien das Vorhaben fast unmöglich. „Wir mussten erst einmal auf Sagensuche gehen, denn außer dem Riesen Haymon und der Frau Hitt kannten wir gar keinen Riesen, den wir hätten bauen können“, schmunzelt die Künstlerin.

Dank vieler Helfer konnte das Projekt aber umgesetzt werden, und alle vier Riesen wurden rechtzeitig fertig. Besonderer Wert wurde auf die Stabilität der Figuren gelegt, denn schließlich stehen sie – anders als die Märchenfiguren – direkt am Boden und sind somit trink- und feierfreudigen Christkindlmarktbesuchern ausgesetzt. Ein großes Problem stellen auch die Tauben dar, die die Riesen aus der Luft „angreifen“. Aber all diesen Gefahren hielten die Riesen stand, und sie erfreuen Touristen und Einheimische nun schon seit 18 Jahren. „Mittlerweile kommen Leute zu mir und erzählen, dass sie mit den Riesen und den dazugehörigen Geschichten aufgewachsen sind“, erläutert Frau Kammeringer Karbon, die selbst kaum glauben kann, dass die Riesengasse nun schon so lange fixer Bestandteil der Innsbrucker Vorweihnachtszeit ist.

Weihnachten wie damals

Für mich persönlich gehören die Märchen- und die Riesengasse zum Advent. Ich empfinde sie ein wenig als Rückzugsort vom doch sehr gut besuchten Christkindlmarkt und als Ort der Nostalgie. Hier ist Weihnachten noch ein bisschen so, wie es früher war. Die Geschichte der Märchen- und Riesengasse wird auf jeden Fall weitergehen. Was die Zukunft bringen wird, liegt noch in den Sternen. Wir dürfen gespannt bleiben, wer in Margit Riedmanns Fußstapfen treten wird.

Informationen:

IAI VERANSTALTUNGS GMBH
Angerzellgasse 4, 6020 Innsbruck
Telefon: +43 664 860 22 20
E-Mail: info@christkindlmarkt.cc
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Alle sieben Christkindlmärkte auf einen Blick

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