4_Defregger_Ausstellung_©Susanne-Gurschler

Kaum ein Tiroler Maler wird derart mit dem Tirolerischen verbunden wie Franz von Defregger (1835–1921). Zu seiner Zeit war der in München lehrende Akademieprofessor weltberühmt. Heute gilt sein Werk vielen als verstaubt und gestrig. Die Kuratoren der Ausstellung „Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“ , die noch bis 16. Mai 2021 im Ferdinandeum läuft, wollen dies ändern.

NEUER BLICK

Sie befassen sich dafür auch mit bisher unbekannten und vernachlässigten Seiten Defreggers – seiner peniblen Trennung zwischen öffentlicher und privater Malerei zum Beispiel, seinem Geschäftssinn und seiner Bekanntheit weit über Europa hinaus.

Franz von Defregger, aufgewachsen am Ederhof im Osttiroler Dölsach, besuchte die Gewerbeschule in Innsbruck. Er absolvierte die Akademie der Bildenden Künste in München, unterbrochen durch einen zweijährigen Paris-Aufenthalt. Bei diesem kam er in Kontakt mit den zeitgenössischen Kunstströmungen.

VOM BAUERNBUB ZUM MALERFÜRSTEN

Die Karriere des Künstlers verlief außergewöhnlich. Schon sein erstes Historienbild „Speckbacher und sein Sohn Anderl im Bärenwirtshaus zu St. Johann“ (1869) machte ihn bekannt. In den folgenden Jahrzehnten schuf Defregger unzählige Genre- und Historienbilder.

Im privaten Bereich zeigte er motivisch und stilistisch weit mehr Facetten. Das unterstreichen viele nach wie vor in Familienbesitz befindliche Arbeiten, die im Rahmen der Ausstellung erstmals öffentlich präsentiert werden. So porträtierte er immer wieder seine Ehefrau Anna und die sieben Kinder. Defregger fertigte auch Aktbilder an und hegte offensichtlich Interesse an fremden Kulturen.

ROCKY BEAR & NEUE TECHNOLOGIEN

Augenscheinlich wird dies etwa im 1862 entstandenen Gemälde eines Afrikaners mit weißem Kopftuch. Aber auch im Porträt des Indianerhäuptlings Rocky Bear, der Defregger 1890 in seinem Münchner Atelier besuchte.

Der Maler verfügte über einen untrüglichen Geschäftssinn. Er nutzte das Potenzial (neuer) Vervielfältigungsmedien. Viele seiner Sujets wurden in Zeitschriften und Journalen abgedruckt und so massenhaft verbreitet. Über den Kunstverlag von Franz Hanfstaengl in München brachte Defregger Reproduktionen seiner Werke in Umlauf und erreichte internationale Bekanntheit von New York bis Sydney, von London bis Wien.

GUTE AUSSICHT IN DEN USA

An kaufkräftiger Kundschaft mangelte es nicht. So beauftragte William Henry Vanderbilt, der reichste Mann Amerikas, Defregger 1881 direkt mit einem Gemälde. Nach Amerika geliefert und in den Unterlagen des Unternehmers registriert, verlor sich später die Spur des Werks.

Im Zuge der Recherchen konnten die Kuratoren das Bild in einer deutschen Privatsammlung ausfindig machen. In der Ausstellung wird „Gute Aussicht“ nun erstmals öffentlich präsentiert. Als das Interesse der US-Amerikaner an Defregger schwand, kamen einige Gemälde zurück nach Europa.

Dass Nazi-Größen, allen voran Hitler, Defreggers Genre- und Historienbilder vereinnahmten, wirkte sich nachteilig auf Defreggers Rezeption nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Haftete ihm schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Image eines stilistisch festgefahrenen Malers an, kam damit eine weitere Stigmatisierung dazu.

Auf zwei Stockwerke verteilt, versucht die Ausstellung „Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“, dem bekannten Bild Defreggers einige bemerkenswerte Facetten hinzuzufügen und damit seine Position in der Kunstgeschichte aufzufrischen.

„Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“
kuratiert von Peter Scholz, Angelika Irgens-Defregger und Helmut Hess
bis 16. Mai 2021 im

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Museumstraße 15
6020 Innsbruck
Tel. +43 512 594 890
Öffnungszeiten: Di–So, 9–17 Uhr
Tel. +43 512 594 89 – 180
Mail besucherservice@tiroler-landesmuseen.at
www.tiroler-landesmuseen.at

Bitte beachten Sie die aktuellen Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Informationen unter www.tiroler-landesmuseen.at

Der Veranstaltungskalender von innsbruck.info gibt einen Überblick über das aktuelle Kulturangebot in Innsbruck und Umgebung.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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