Es ist ein spektakuläres Volksschauspiel in der weltweit vermutlich größten Krippe, das alle vier Jahre in Silz geboten wird. Das „Silzer Dreikönigspiel “ mit rund 100 Schauspielern als ‚Krippenfiguren‘, mindestens 30 'guten Geistern' hinter den Kulissen und unzähligen Tieren hat seit 2004 inzwischen Eingang in das Tiroler Brauchtum gefunden. Die heurige insgesamt siebte Aufführung des Einzugs der ‚Drei Könige‘ unter der Regie von Emanuel Bachnetzer lässt die gute alte Tiroler Volkstheatertradition grandios aufleben. Sie ist zu einem fixen Bestandteil des Tiroler Theaterkalenders geworden.
Alle vier Jahre bereitet sich ein ganzes Dorf auf dieses Schauspiel vor. Das von Pepi Sonnweber verfasste und 2004 erstmals inszenierte Dreikönigspiel hat sich inzwischen zu einem fixen Bestandteil des Silzer Dorflebens und des Tiroler Kulturlebens geworden. Der ‚Pepi von Silz’ verfolgte damals mit unermüdlichem Einsatz sein Ziel, ein geistliches Volksschauspiel zu kreieren. Wissend, dass Silz einst Aufführungsort von Passionsspielen gewesen war suchte er nach neuen Möglichkeiten, um die kulturelle Lücke zwischen Weihnachten und der Fasnacht zu schließen. Die fand er in der Idee eines Dreikönigspiels, das in der Barockzeit in Gmunden kreiert und aufgeführt wurde. Er griff selbst zur Feder um das ‚Silzer Dreikönigspiel‘ nach dem Matthäus- und Lukas-Evangelium zu kreieren. Ich hatte den Werdegang des Stücks vor vier Jahren HIER beschrieben.)
Die Krippe als Riesenbühne
Was mich daran so fasziniert ist seine Ausgangsidee, viele Silzerinnen und Silzer für eine gemeinsame Aktion zu begeistern. Es sind knapp 150 Menschen, die direkt oder indirekt in die Vorbereitungen und Durchführung der Aufführung involviert sind. Dazu noch eine Bühne, deren Spielfläche 2.000 Quadratmeter einnimmt und die inzwischen eine Höhe von mehr als sechs Metern misst. Die vom begeisterten Krippenbauer Peter Neurauter kreierte ‚Theater-Krippe‘ ist damit vermutlich auch die größte Krippe der Welt.
Mit welcher Professionalität man in Silz ans Werk geht ist allein schon daraus ersichtlich, dass die ersten Organisationsarbeiten bereits ein Jahr vor der Aufführung beginnen, wie mir Lukas Kocher erzählt. Er ist Obmann des ‚Dreikönigspielvereins‘, der 2015 gegründet wurde. „Auch heuer wieder mussten wir die insgesamt 17 Proben auf der Bühne erst kurz vor dem Aufführungstermin abhalten, denn dafür muss ja der Josef-Tiefentaler-Platz für jeden Verkehr gesperrt werden.“ Der Mitarbeiter der Tiroler Wirtschaftskammer und Event-Veranstalter ist quasi der ‚Generalorganisator‘ des Spiels und damit in den Weihnachtsferien voll ausgelastet. Was seine Frau und die drei Kinder offenbar gerne akzeptieren, denn sie genießen selbst ihre Auftritte als Schauspieler im Dreikönigspiel.
Ein Frisiersalon wird zur Künstlergarderobe
Als Laie ist man mit den Problemen wenig vertraut, die eine Aufführung mit mehr als 100 Schauspielern mit sich bringt. Immerhin müssen sie sich vor der Aufführung irgendwo einkleiden. Und wo sind die Künstlergarderoben, in denen sie geschminkt werden können? „Als Umkleideräume, Mischpult und Lichtregie stehen uns in Silz mit der Volks- und Musikschule und dem Kinderhort ausreichend Räumlichkeiten zur Verfügung“ sagt Lukas Kocher. „Für die Schminkarbeiten sorgt dankenswerterweise unser Frisiersalon ‚Haargenau‘ mit seinen Mitarbeiterinnen.“ Dieses Procedere wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Im Salon ‚Haargenau‘ sitzen die Hauptakteure des Spiels völlig entspannt auf den Friseurstühlen, um sich schminktechnisch verändern zu lassen. Der Herold des Spiels, der blutrünstige König Herodes und dessen Henker, die Drei Könige und das engelartige ‚gute Gewissen’ sind da friedlich versammelt. Dass der Schmäh läuft ist klar. Es ist übrigens dieselbe Besetzung wie bei der Aufführung 2019, die sich wiederum bisweilen viel Farbe und tiefe Falten ins Gesicht schmieren lässt.
Die Volksschule als Kleidungs- und Requisitenkammer
Ein großer Raum in der Volksschule wird für die kurze Spielzeit in einen Umkleideraum verwandelt. Hier hängen die Brokat-Gewänder der Drei Könige, Requisiten wie Kronen und Speere, römische Legionärshelme und auch die farbenfroh-güldene Bekleidung des ‚Schriftgelehrten‘, der natürlich von Pepi Sonnweber gegeben wird.
Die Betreuung der teilnehmenden Tiere übernehmen Profis. Die Pferde für die Drei Könige, einige Hühner, zwei Lamas und zwei Esel sowie eine kleine Herde Schafe müssen vor ihrem Auftritt betreut und beruhigt werden. Die Lamas waren heuer quasi ‚Einspringer‘ für die beiden Kamele, die krankheitsbedingt nicht zur Verfügung stehen konnten.
Ein ‚geistliches‘ Spektakel als Augenschmaus
Der Silzer Filmemacher und Regisseur Emanuel Bachnetzer ist seit 2009 für die Regie und damit auch den Erfolg des Silzer ‚geistlichen Spektakels’ verantwortlich. Die heurige Neuinszenierung ist jedenfalls perfekt gelungen. Die Kostüme sind wunderschön, das bunte Treiben auf der Bühne erinnert tatsächlich an einen orientalischen Bazar. Und die Dauer der Aufführung ist mit 50 Minuten ideal für Groß und Klein.
Das Stück weist keinerlei ‚Leerläufe’ auf. Da ist immer was los, bisweilen ein lustiges, buntes Durcheinander. Mir scheint sogar, dass Bachnetzer das Schauspiel eigens für Kinder inszeniert hätte. Die kleinen Zuschauer verfolgen nämlich angespannt und konzentriert, bisweilen sogar kommentierend, was sich auf der Bühne tut.
Die Drei Könige inmitten des Markttreibens
Schon der Auftakt verheißt ein äußerst abwechslungsreiches Spiel um die Geburt Christi, den Besuch der ‚Drei Weisen aus dem Morgenland’ und den mordlüsternen König Herodes mit seinen Soldaten und Schergen. Denn zwei Feuerschlucker eröffnen unter Fanfarenklängen hoch von einem Wachturm das Spiel mit spektakulären Feuerbällen auf einem orientalischen Markt. Auf dem sich alles tummelt, was man sich vorstellen kann. Marktfrauen bieten lebende Hühner an, Kinder toben herum, eine anmutige Tänzerin verdreht den Männern den Kopf. Eine Herde Schafe quert die Bühne samt jener Hirten, die dann die Heilige Nacht beinahe verschlafen. Der Auftritt der Könige ist der Höhepunkt des Spiels, argwöhnisch beobachtet von König Herodes und seinen Schergen. Mit der Flucht nach Ägypten auf einem Esel endet das Spiel.
Ausverkaufte Vorstellungen
Das Silzer Dreikönigspiel bietet in dieser Inszenierung und Ausführung genau das, was von einem ‚geistlichen Volksschauspiel‘ erwartet wird: die Belehrung der Menschen über die Vorgänge in der Heiligen Nacht. Mit allem drum und dran. Besser konnte man schon vor 200 oder 300 Jahren die Inhalte der Bibel dem Volk nicht näherbringen. Die große Karten-Nachfrage bestätigt auch heuer wieder, wie interessiert die Bevölkerung am Spiel ist. Thematik und Inszenierung motivieren auch ‚moderne‘ Menschen, dem Spiel beizuwohnen. Ausverkaufte Vorstellungen sind dazu ein guter Beweis.
Das künstlerische Kernteam
Regie: Emanuel Bachnetzer
Musik: Florian Walser
Kulisse: Peter Neurauter
Ton: Christian Falch, Markus Zoller
Maske: Salon Haargenau, Silz
Garderobe: Carolin Grabner, Maria Wammes, Andrea Bachnetzer
Plakat: Karl Zauner
Assistenz: Caroline Heinz, Alexandra Hirn.
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Alm-Freiwilliger in der 'Schule der Alm', Kultur-Pilger, tirol-Afficionado, Innsbruck-Fan.
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