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 Das Goaßl Schnöllen ist ein Brauch, der seine Wurzeln hoch oben in den Bergen hat. In einer Zeit, in der es weder Handys noch Funkgeräte gab, nutzten Hirten, Wanderer und Almbesitzer die lauten Knalle ihrer Peitschen – der sogenannten Goaßln – zur Verständigung. Der Klang trägt weit: Schnöllt man am Talboden, hallen die Schnalzer durch die gesamte Umgebung bis zu den Talgipfeln. Schnöllt man am Gipfel, sind sie sogar in den benachbarten Tälern zu hören.

Früher war das Goaßl-Schnöllen vor allem den Männern vorbehalten. Heute sieht das ganz anders aus – auch viele Mädchen und Frauen beherrschen diese Kunst mit beeindruckender Präzision. Das sorgt besonders bei männlichen Schnöllern für Begeisterung, die eine starke Schnöllerin zu schätzen wissen.

Inzwischen hat sich das Goaßl-Schnöllen zu einer gern gesehenen Tradition rund um Innsbruck entwickelt. Zahlreiche Vereine pflegen und fördern das Goaßl schnöllen, darunter zum Beispiel die Axamer Kirchtagsschnöller, die Völser Fasnachtler, der Schnöllerverein Längenfeld im Ötztal, die Grinziger Schnöller und viele mehr. Sogar ein Tiroler Landesverband für Goaßl- und Peitschenschnöller wurde gegründet.

Die Kunst des Schnöllens hat längst über die Tiroler Grenzen hinaus Bekanntheit erlangt. Interessant ist dabei der regionale Unterschied: Während in der Innsbrucker Umgebung Goaßln mit relativ kurzen, dicken Griffen üblich sind, verwendet man in Südtirol Peitschen mit langen Holzgriffen.

Neben dem traditionellen Aspekt hat sich das Goaßl-Schnöllen auch als Wettkampfsport etabliert. 2020 fanden Tiroler Landesmeisterschaften und sogar Weltmeisterschaften statt. In verschiedenen Disziplinen – Einzel, Zweier, Dreier und Vierer – treten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihren Altersgruppen an. Ihre Leistung wird nach einer 30-sekündigen Vorstellungszeit anhand festgelegter Regeln und Richtlinien bewertet. Die genauen Wettkampfregeln sind auf der Website der Axamer Kirchtagsschnöller zu finden.

Wie entsteht der Schnall?

Der laute Knall bzw. "Schnall" entsteht durch eine geschickte Bewegung der Goaßl. Sie wird von einer Seite zur anderen geschwungen, wobei sie beim Richtungswechsel die Schallgeschwindigkeit durchbricht und so den charakteristischen Knall erzeugt.

Handwerkskunst: Die Herstellung einer Goaßl

Eine Goaßl besteht aus einem Holzgriff mit Schlaufe, dem eigentlichen Peitschenseil und dem sogenannten Schlussteil, der "Schmitza". Rund um Innsbruck gibt es vereinzelt Handwerker:innen, die diese traditionellen Peitschen in aufwendiger Handarbeit fertigen. In den letzten Jahren hat sich der Trend verbreitet, seine eigene Goaßl zu knüpfen – doch das erfordert viel Geschick.

Beim Material setzen die meisten heute auf Kunststoffseile, da sie pflegeleichter sind. Früher waren Hanfseile weit verbreitet. Die Herstellung erfordert viel Geschick: Mit vier geübten Händen dauert es etwa drei Stunden, um eine Goaßl fertigzustellen. Dabei arbeiten stets zwei Personen gemeinsam an einer einzigen Peitsche. Sie wird mit einer speziellen Knüpftechnik gefertigt, bei der das Seil zur Spitze hin immer dünner wird. Schließlich erhält jede Goaßl eine persönliche Note: Der Griff wird oft mit Initialen, einem Wappen oder dem Tiroler Adler verziert.

Goaßl Schnöllen im Fasching

Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung des Goaßl-Schnöllens gewandelt. Besonders im Fasching hat der Brauch eine feste Tradition: In Tirol und den Dörfern rund um Innsbruck "schnöllt" man den Winter aus.

Ein besonderes Spektakel bietet der Faschingsbrauch in Axams: Die berühmten "Tuxer" – eine traditionelle Faschingsfigur in Axams – ziehen mit ihren Peitschen durch die Straßen. Die lauten Knalle sollen den Winter vertreiben und den Frühling willkommen heißen. Auch bei den großen und bekannten Faschingsumzügen rund um Innsbruck, wie zum Beispiel Telfs, Absam oder Wattens, sind die Goaßl-Schnöller:innen nicht wegzudenken.

Fun Fact: Was ist ein "bäriger Schwein"?

Der Ausdruck „a bäriger Schwein“ hat tatsächlich nichts mit einem Tier, dem Schwein, zu tun. In Schnöller-Kreisen bedeutet er etwas ganz Besonderes. Wenn alle Mitglieder eines Vereins ihre Peitschen perfekt im gleichen Rhythmus knallen lassen, spricht man von einem „bärigen Schwein“ – dem perfekten Zusammenspiel im Takt.

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