Locherboden

Mit der kürzlich abgeschlossenen Sanierung des Weges durch die bislang wenig bekannte Mötzer Klamm wird die uralte Verbindung zwischen Mötz und Obsteig zu einer neuen regionalen Attraktion. Die Durchquerung der wildromantischen Klamm mit ihrer auf einer Felsnase thronenden gleichnamigen Burg ist allerdings nur der erste Teil einer Rundwanderung, die mehrere faszinierende Varianten bietet – allesamt wunderbare Kombinationen aus Geschichte, Kultur und Natur.

Wo, um Himmels willen, liegt Mötz?

Mötz, im mittleren Oberinntal am Fuß der hoch aufragenden Kalkfelsen der Mieminger Kette gelegen, wird meist ‚links liegen gelassen‘. Und das, obwohl der Ort einst strategisch bedeutsam war. Ich möchte hier einen wenig bekannten Berg-Spaziergang vorstellen, der in Mötz beginnt und durch die zentrale Tiroler Geschichte bis zurück zu den Ursprüngen unseres Landes führt.

Um nach Mötz zu gelangen, ist weder Navi noch Landkarte nötig. Denn kluge Wandersleute benützen öffentliche Verkehrsmittel, um an den Ausgangspunkt in Mötz zu kommen. Weshalb mit dem Bus? Ganz einfach: Wer mit Öffis anreist, muss nicht unbedingt wieder an den Ausgangspunkt der Wanderung zurückkehren, nur weil dort das Auto steht. Im Falle dieser Wanderung möchte ich also die Benutzung von Öffis sehr empfehlen.

Kulturwandern, Ausdruck eines Lebensgefühls

Kulturwandern in Tirol ist für mich Ausdruck eines unverwechselbaren Lebensgefühls. Weshalb, werden sich meine klugen Leserinnen und geneigten Leser fragen. Weil in kaum einem anderen Land Natur, Geschichte und Kultur eine derart enge, geradezu außergewöhnliche  Verbindung eingegangen sind. Deshalb möchte ich eine kulturgeschichtliche Erkundung vorstellen, die eine kleine Tiroler Gemeinde in den Mittelpunkt rückt. 

Das erste Ziel: die Burg Klamm

Zuerst zur Anreise. Wer mit dem VVT-Bus anreist, verlässt ihn just an jener Haltestelle ‚Mötz-Kirche‘, wo die Reise durch Tirols Kulturgeschichte beginnt. Kein Suchen nach einem Parkplatz, keine Parkgebühr. 

Von der Haltestelle aus betritt man den einige Meter entfernten Ausgangspunkt des Kulturspaziergangs, die Königsgasse, und ist sozusagen gleich goldrichtig. Wer nun meint, der Name Königsgasse sei zu hochtrabend für ein ‚Minidorf‘ mit 1.350 Einwohnern, täuscht sich gewaltig. Denn hier sind im Mittelalter tatsächlich Könige, ja sogar Kaiser, durchgezogen. Dieses Mötzer Gässlein führt denn auch schnurstracks zu jener Burg, in der die gekrönten Häupter einst abgestiegen waren. Eine Burg, die einst von großer strategischer Bedeutung war.

Dem Bach entlang geht’s also in Richtung Klamm. Vor den forschen Wandersleuten türmen sich in einiger Entfernung die Kalkfelsen der Mieminger Kette auf. Nach den letzten Häusern teilt sich der Weg: Rechts über ein Holzbrücklein führt der wildromantische, bestens sanierte Klammsteig zu einem rauschenden Wasserfall, über dem sich gebieterisch die Burg Klamm erhebt. Links führt der Weg über die alte Wegverbindung zum selben Ziel: zur Burg Klamm. Sie liegt auf dem Gemeindegebiet von Obsteig. Der Ort selbst kann allerdings von der Burg aus nicht direkt gesehen werden.

Der Klammsteig

Als ich vor einigen Jahren den Klammweg absolviert habe, brauchte es bisweilen etwas Mut und viel Trittsicherheit, um weiterzukommen. Kein Vergleich zu heute: Der Klammsteig ist nach einer profunden, höchst gelungenen Sanierung durch Innsbruck Tourismus in einem ausgezeichneten Zustand. Was gleichgeblieben ist: Trittsicherheit ist noch immer von Vorteil.

Der Wasserfall

Ein erster Höhepunkt des Weges ist der Wasserfall des Klammbachs, der sich in den Jahrhunderten oder Jahrtausenden regelrecht in die Kalkfelsen gefräst hat. Hier ist’s empfehlenswert, ganz tief einzuatmen. Denn die feinen, durch die Luft schwebenden Wassertröpfchen, auch Aerosole genannt, sind Balsam für die nach der Wanderung weit geöffneten Lungen der Wandersleute. Nach einigen weiteren Wegserpentinen erreicht man die in Privatbesitz befindliche Burg Klamm mit ihrem gewaltigen Turm, dem völlig intakten Palas und einer Brücke über den einstigen Burggraben.

Eine Burg im vermeintlichen Niemandsland

Wer die Burg Klamm erreicht, sucht vergeblich nach Anhaltspunkten, weshalb ausgerechnet hier auf einem Felssporn eine derart massive Burg steht, die schon im 12. Jahrhundert errichtet worden ist. Sicher, die Aussicht auf die umliegende Region war fantastisch. Und dennoch: Die Ausmaße waren für das beginnende 13. Jahrhundert gewaltig. Der Turm ist 25 Meter hoch, dessen Grundmauern sind massive zwei Meter breit! Wandersleute mit viel Gefühl für architektonische Schönheit werden zudem die akkurate Steinschichtung des Turms bemerken. Deutsche Maßarbeit quasi. Vermutlich hat der Stauferkaiser Friedrich II. (ja, der mit dem Faible für die Falkenzucht) höchstselbst einen Baumeister motiviert, die Bauaufsicht in Mötz zu übernehmen. Das wäre ein Beweis für die Wichtigkeit dieser Festung, gehörte das Gebiet um Mötz doch zu Baubeginn der Burg zum Reich der Staufer.

Weshalb sind Kaiser und Könige durch Mötz gezogen?

Genau diese Frage werden sich geografisch kundige Leser stellen. Das war im Mittelalter quasi logisch, wenn man weiß, dass schon damals in Mötz eine der raren Brücken über den Inn stand. Ein letzter Hinweis darauf existierte bis zum Autobahnbau: Das Gasthaus Zum römisch-deutschen Kaiser‘ am Südufer des Inn erinnerte noch vor 50 Jahren daran, dass hier wohl auch Kaiser zugange gewesen sind.

Zudem ist die tragische Geschichte eines Kaisers aktenkundig und verbürgt: Der deutsche Kaiser Lothar III. zog im Jahre 1137 krank durch Mötz, um wenig später in einer ärmlichen Hütte in Breitenwang bei Reutte sein Leben ganz und gar nicht heldenhaft auszuhauchen.

Die Lage der Burg war für die damalige Zeit strategisch von enormer Bedeutung. Wenn deutsche Könige oder Kaiser nach Rom zu eilen hatten, um vom Papst gekrönt zu werden, gab’s zwischen dem Außerfern und dem Brenner zur damaligen Zeit keine große Auswahl an sicheren Burgen. Mit dabei war die Burg Klamm. Hier waren die gekrönten Häupter samt Entourage (manchmal hunderte Ritter) sicher, konnten sich erholen und dann ausgeruht über das heutige Mötz weiter in Richtung Brenner ziehen. Also musste einer der wichtigsten Verkehrswege des 13. Jahrhunderts an der Burg Klamm vorbeigeführt haben. 

Meinhard II. schuf das heutige Tirol

Dass die Burg schließlich in den Besitz der Tiroler Landesfürsten gelangte, ist ein Werk Meinhards II. Der damalige Graf des Schlosses Tirol bei Meran wollte höher hinaus und raubte den Bischöfen von Trient und Brixen kurzerhand Dörfer, Burgen und Ländereien. Dass er deshalb vom Papst mit dem Kirchenbann belegt wurde, ist klar: Raub an der Kirche musste bestraft werden.

1280 überredete Meinhard II. deshalb den Augsburger Bischof Hartman, ihm den bischöflichen Besitz im Tiroler Oberland zu überlassen. Dadurch kam auch die Burg Klamm in Meinhards Besitz. Im Jahr 1295 war das ‚Land im Gebirge‘ dann zum Großteil im Besitz des Grafen von Tirol, woraufhin es der Einfachheit halber Tirol genannt wurde.

Ganz in der ‚Mode‘ seiner Zeit, fehlte Meinhard II. noch ein ‚Hauskloster‘. Vermutlich fürchtete er ob seiner mitunter brutalen Politik um sein Seelenheil. Also ließ er im Jahre 1273 in Stams ein Kloster errichten, in dem für ihn gebetet wurde und Messen zu seinen Gunsten gelesen werden konnten. Zudem bestimmte er die neue Klosterkirche zur Erbbegräbnisstätte aller Tiroler Landesfürsten und deren Familien.

Nach und nach wurde das Kloster quasi zu einem Friedhof des Tiroler Adels. Der musste auch darauf hoffen, mit Hilfe der Gebete der Mönche das Paradies zu gewinnen. Der Lebenswandel dieser mitunter brutalen, aber immer arbeitsscheuen Elite war nicht dazu angetan, nach dem Tod quasi automatisch in den Himmel zu führen. 

Von der Burg Klamm über Untermieming nach Stams

Genau deshalb ist’s eigentlich logisch, Stams zum Ziel dieser Kultur- und Naturwanderung zu erwählen, hängt doch die Geschichte von Mötz, der Burg Klamm, Untermieming und Stams eng zusammen. Der weiterführende Weg von der Burg Klamm führt zum Ortsrand von Fronhausen. Die Strecke nach Untermieming verläuft vor dem genialen Panorama der Mieminger Bergkette. Mein Tipp: Statten Sie doch vor dem Weiterwandern der wunderschönen gotischen Kirche in Untermieming einen Besuch ab. Immerhin war es einst das zentrale Gotteshaus des sogenannten Mieminger Plateaus und lag vermutlich an der alten römischen Via Decia, jener Straße, die über das Mieminger Plateau die Via Claudia Augusta in Zirl mit  jener in Nassereith verbunden hatte.

Wer weiterwandert, passiert den See – heute ein fantatischer Badesee. Im Sommer gibt’s hier ein Café, in dem auch Speisen serviert werden.

Kurz nach dem Badesee haben Wandersleute also wiederum die Wahl: entweder direkt nach Stams absteigen oder am Besinnungsweg nach Maria Locherboden spazieren. Diese Wallfahrtskirche gehört zu den wahrhaft ‚Heiligen Plätzen‘ des Landes. Mein Bloggerkollege Danijel Jovanovic hat ihr einen Blogbeitrag mit spektakulären Fotos gewidmet.

Wer direkt nach Stams absteigen will, gelangt schließlich an die steil abfallende Kante des Bergzuges zwischen Mötz und Telfs. Von einer kleinen Kapelle aus ist hier der Grabenbruch des Inntales quasi in Cinemascope aus der Vogelperspektive zu bewundern.

Der Abstieg durch die ‚Wand‘ oberhalb des Inns mündet in eine Hängebrücke, die in den 30er Jahren im Zuge eines Arbeitsbeschaffungsprogramms errichtet worden war. Weshalb eine Brücke ausgerechnet hier? Weil die Zisterziensermönche des Stiftes Stams die Pfarrgemeinden am Mieminger Plateau zu betreuen hatten. Der Weg durch die Wand ist die absolut kürzeste Verbindung vom Inntal auf das Mieminger Plateau.

Das Ziel dieser Rundwanderung ist schließlich die Stiftskirche von Stams mit der Grablege des Stifters Meinhard II. Eine Führung durch dieses barocke Kunstwerk ist sehr zu empfehlen. 

Meine Tipps:

  • Reisen Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Informationen über Busverbindungen finden Sie hier: https://smartride.vvt.at/
  • Verwenden Sie zur Wanderung gutes Schuhwerk.
  • Für ‚Baderatten‘ ist's empfehlenswert, bei schönem Wetter Badekleidung mitzunehmen. Denn der Badesee in Untermieming ist wunderschön.
  • Nutzen Sie die Gelegenheit, das Stift Stams zu besichtigen.
  • Unmittelbar beim Stift befindet sich die Haltestelle für den VVT-Bus.

Bilder, sofern nicht anders angegeben: © W. Kräutler

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