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Gleich zu Beginn des neuen Jahres ist der Bär los in Innsbruck und seinen Feriendörfern. Die Fasnacht beginnt zu Dreikönig und nimmt unsere Region bis zum Aschermittwoch mehr oder minder intensiv in Beschlag. Mit Recht, meint auch die UNESCO, die drei dieser uralten Faschings-Bräuche zum „immateriellen Kulturerbe“ Österreichs geadelt hat. Dann gibt’s da noch einen anderen Brauch in unserer Region, der ebenfalls zum immateriellen Kulturerbe zählt, aber mit der Fasnacht nichts zu tun hat. Dafür aber mit Musik und Gesang. Davon am Ende dieses Blogs.

Viele Volkskundler sind sich einig: Fasnachtsbräuche sind zumeist aus uralten, vorchristlich-kultischen Handlungen heraus entstanden. Es ging darum, die bösen Geister des Winters zu vertreiben und dem Frühlingsgott (oder der Frühlingsgöttin?) zu huldigen. Ich kann mir jedenfalls lebhaft vorstellen, dass der Winter früher alles andere als eine beliebte Jahreszeit war. Und dass die bäuerliche Gesellschaft alles tat, ihn zu ‚vertreiben‘.

Die Fasnacht eröffnete aber auch noch andere, durchaus fleischliche Möglichkeiten. Sie war und ist immer noch eine Phase der Ausschweifung, Sinnenfreude und Narrheit vor der dräuenden Fastenzeit. Vor allem aber konnten die Maskierten unerkannt Schabernak treiben. Eine weitere Motivation also, sich zu verkleiden und auf den Putz zu hauen.

Mullen und Matschgern in den MARTHA-Dörfern

Die Anfangsbuchstaben von Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam bilden die Bezeichnung MARTHA-Dörfer. Aber was ist diesen MARTHA-Dörfern gemein? Richtig: die Fasnachtsbräuche. Wenngleich sie in den einzelnen Orten leicht modifiziert ausgeübt werden. Wichtig ist es festzuhalten: das echte, unverfälschte Mullen gibt’s nur in den MARTHA-Gemeinden. Das muss deshalb betont werden, da es bereits in zahlreichen anderen Orten im Tiroler Unterland billige Nachahmungen dieses uralten Brauches gibt.  

Die Muller treten auch heuer wieder auf verschienenen Bällen auf.

Die Muller treten auch heuer wieder auf verschiedenen Bällen auf. © W. Kräutler

Die 'noblen' Spiegeltuxer

Die ’noblen‘ Spiegeltuxer © W. Kräutler

Die Vielfalt der Masken (Matschgern) und die eingeübten Choreographien der Muller in Mühlau und Arzl sind das eigentlich Interessante. Hier sind es Spiegeltuxer, Fleckerlzottler, Hexen, Vorläufer, Zottler, Zaggeler und Klötzler, die am Sonntag nach Dreikönig mit dem bunten Treiben beginnen. Dabei kommt jeder Figur eine ganz spezielle Rolle zu: die Hexen machen den Weg frei damit die Spiegeltuxer ihr imposantes, herrschaftliches Auftreten entfalten können. Wieder andere Figuren sind als Ordnungshüter im Einsatz. Das bunte Treiben gipfelt im Mullen oder Abmullen, einer Art Ehrenbezeugung, bei der sich der Muller eine Person aus der Menge aussucht, ihre Schulter reibt und ihr einen kleinen Schlag versetzt. 

Dieser Brauch wurde früher vor allem in den Dorfgasthäusern aber auch in Privathäusern praktiziert. Die Arzler Muller treten heute vermehrt auf Bällen auf, sogar in Innsbruck. Das Treiben endet am Faschingsdienstag mit dem Fasnachteingraben, bei dem nicht nur getrauert wird, sondern auch lustige Geschehnisse im Dorf zur Sprache kommen.

Das Wampelerreiten in Axams

Ein Kampf steht im Mittelpunkt des UNESCO-Kulturerbes in Axams. Im Rahmen eines großen Fasnachtumzuges findet am ‚Unsinnigen Donnerstag‘ das Wampelerreiten statt. Über den Ursprung dieses Brauches sind die Meinungen geteilt: Winteraustreiben oder Initiationsritus für junge Burschen? Wie auch immer, am Unsinnigen Donnerstag geht’s rund in Axams.

Die Wampeler bei ihrem Versuch, ihr Gleichgewicht zu halten.

Die Wampeler bei ihrem Versuch, ihr Gleichgewicht zu halten.

Der Kampf zwischen den Wampelern und den Reitern steht also im Zentrum des Fasnachtstreibens und symbolisiert das Ringen zwischen Winter und Frühling. Oder ist es doch der Kampf, der die jungen Wampeler zu ‚vollwertigen‘ Männern macht? Begleitet werden die um ihr Gleichgewicht ringenden Wampeler noch von anderen außergewöhnlichen Figuren wie Tuxer, Flitscheler, Nadln, Buijazzln und Altboarische Paarln.

Den Namen hat dieser Brauch von „wamperten“, also dickbäuchigen jungen Burschen und Männern. Sie tragen ein weites, weißes Leinenhemd, das prall mit Heu gefüllt und zu einer Wampe geformt ist. Mit einem kurzen roten Rock über der Hose und einem breiten Ledergürtel samt einem Stock ziehen die „Wampeler“ dann in gebückter Haltung durch den Ort. Ihre Gegenspieler, die „Reiter“ versuchen, die Wampeler – von hinten kommend – umzustoßen und auf den Rücken zu legen, um deren weißes Hemd zu beschmutzen. Der Begriff ‚reiten‘ kommt von nieder reiten, bekämpfen, bezwingen.

Die Wampeler ihrerseits versuchen, sich mit Hilfe des Stocks im Gleichgewicht zu halten und unfaire Angriffe von vorne abzuwehren. Nach mehreren bisweilen kräftezehrenden Runden durch den Ort wird am Abend beim Dorfwirt der beste Wampeler mit dem saubersten Rücken gekürt. Begleitet wird das Axamer Wampelerreiten von sogenannten ‚Banden‘, die während der Fastnacht verkleidet von Gasthaus zu Gasthaus ziehen, um zu musizieren, zu tanzen und Dorfbegebenheiten zu persiflieren.

Schleicherlaufen in Telfs

Knapp 30 km westlich von Innsbruck wird in der Marktgemeinde Telfs alle 5 Jahre ein überaus farbenprächtiger, um nicht zu sagen spektakulärer Fasnachtsbrauch praktiziert: Das Telfer Schleicherlaufen. Der große Zeitabstand ist irgendwie verständlich. Denn an diesem von der UNESCO ebenfalls zum immateriellen Kulturerbe Österreichs erklärten Brauch nehmen rund 500 Männer teil, die insgesamt 14 Gruppen aufgeteilt sind.

Das Schleicherlaufen ist eigentlich ein Familienfest. Wie aus verschiedenen Fasnachtschroniken hervorgeht, nehmen viele Familien bereits seit Generationen am Telfer Schleicherlaufen teil. Und wie gesagt: ein Großteil der Bevölkerung ist deshalb wochenlang mit dem Herrichten der Gewänder, dem Ausbessern des Schmucks und allerlei anderer Fasnachtsvorbereitungen beschäftigt.

Alle 5 Jahre findet in Telfs das einzigartige Schleicherlaufen statt. Das nächste Mal im Jahre 2020. Bild: Marktgemeinde Telfs.

Alle 5 Jahre findet in Telfs das einzigartige Schleicherlaufen statt. Das nächste Mal im Jahre 2020. Bild: Marktgemeinde Telfs.

Und wer nun glaubt, das Schleicherlaufen sei ein normaler Fasnachtsumzug, der täuscht sich gewaltig. Es gilt, eine exakte, lanjährige Choreografie des Schleicherlaufes einzuhalten. Das Fest beginnt frühzeitig am Morgen damit, dass die „Sonne“ wird durch den Ort getragen wird. Da gibts dann noch den Zug der Wilden vom Obermarkt in da Unterdorf, das Auffahren der Schleicher und – ganz wichtig – das Einfanngen des ‚Bär‘ beim Meaderloch. Um 11 Uhr beginnt dann das mehrstündige Schleicherlaufen. Neben den Schleichen treten auch prächtig gekleidete Gruppen mit wohlklingenden Namen auf wie etwa die Laninger, die Musibanda, die Vogler, die Kurpfuscher, Bären & Exoten.

Die namensgebende Gruppe der Schleicher bildet den Grundstock der Telfer Fasnacht. Die farbenprächtigen Gestalten, in Samt und Seide gehüllt und mit großen Schellen versehen, tragen kunstvoll geferrigte Hüte, die das eigentliche Symbol der Gruppe darstellen.  Die farbenprächtigen Gestalten, die in Samt und Seide gewandet sind, große Schellen umgehängt haben und individuell kunstvoll gestaltete Hüte tragen, stellen die Hauptfiguren dar. Sie schreiten würdevoll einher und hüpfen sodann in rituell anmutigen Tanzschritten einen „Kroas“. Was Wunder, dass dem Schleicherlaufen nicht selten 20.000 Zuschauer beiwohnen, die dieses absolut einmalige Fasnachtstreiben denn auch gebührend beklatschen.

Das Kulturerbe Zachäussingen in Zirl

In aller Hergottsfrüh wird in Zirl das Zachäussingen abgehalten.

In aller Hergottsfrüh wird in Zirl das Zachäussingen abgehalten. ©W. Kräutler

Das Brauchtum in Innsbruck und seinen Feriendörfern um die Jahreswende herum wird von einem Brauch eingeleitet, den man das ‚Zachäussingen in Zirl‘ nennt. Dieses von der UNESCO anerkannte österreichische Kulturerbe hat einen sonderbaren Augangspunkt. Offenbar hatten es die Zirler Anfang des 18. Jahrhunderts an ihrem Kirchtag, der am 3. Oktobersonntag stattfindet, allzu toll getrieben. Jedenfalls sannen die Kirchenverantwortlichen auf Abhilfe. Allen voran die Jesuiten. Da wurde eigens ein Lied, das Zachäuslied komponiert und getextet, das den Leuten den kalten Schweiß auf die Stirn treiben sollte. Heißt es doch darin:

„O ihr Stein‘ laßt euch erweichen, weil der Sünder gar so hart,
Und die Buß‘ will nicht ergreifen, bis man ihn in d‘Erde scharrt.
Und sein Seel‘ muß ewig leiden in der heißen Höllenqual,
Die so leichtlich könnte leben in dem schönen Himmelssaal.“

Ganz so, als wollten die Erfinder dieses Brauches allzuviel ‚Horror‘ vermeiden, wird nach dem Zachäuslied noch ein Kirchtagslied angestimmt. Und da schaut die Welt schon ganz anders aus. Der Refrain gibt dann aber eine Stimmung wider, die durchaus als Motto der Tiroler Fasnacht gelten kann:

 „Da kommen Scharen von lust‘gen Leuten, Tiroler jodeln schon von Weitem.“

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