Brechsee (2)

Auf der ältesten Brücke Innsbrucks steht ein Mann und blickt still aufs Wasser. Flüsternd fließt der türkisblaue Strom durch die kleine Alpenstadt, beständig und seit Urzeiten. Der Mann am Ufer scheint dem Gletscherstrom aufmerksam zuzuhören, schon spielt ein Lächeln auf seinen Lippen, die zwei verstehen sich. Uwe Schwinghammer ist sogar so sehr im Fluss versunken, dass er mich erst bemerkt, als ich neben ihm stehe. Sein druckfrisches „Tiroler Wasser-Wanderbuch“ erscheint Ende des Monats. Für einen Spaziergang am Inn durfte ich den Autor kürzlich persönlich treffen – für ein ausuferndes Gespräch unter zwei Wasser- und Wanderfreunden.

Alles fließt – in ein Buch.

Wer gern durch Innsbruck flaniert, dem ist auch die Straßenzeitung 20er ein Begriff. Früher kostete das soziale Schriftwerk genau zwanzig Schilling, und Uwe Schwinghammer schrieb den monatlichen Wandertipp. Heute bezahlt man die Zeitung in Euro, und seine Wandertipps veröffentlicht Uwe mittlerweile in ordentlich gebundener Buchform. Das macht auch durchaus Sinn, hat man dort doch viel mehr Möglichkeiten, verrät mir der Autor. Wir haben die Innpromenade eingeschlagen und steuern zielstrebig eine kleine Bucht an, denn wir wollen noch näher am Wasser sein. Mit Reiseführern kennt sich der wandernde Wassermann übrigens bestens aus, gleich drei Tirol-Ausgaben des Marco-Polo-Reiseführers gehen schon auf seine Kappe. Die Idee zum Wasser-Wanderbuch war dann fast naheliegend, er sei selbst einfach so gern am Wasser, schmunzelt der Mann Richtung Fluss.

Der See am Ende der Welt.

Wir sitzen auf einem Stein und schauen der Strömung zu. Ein Stock treibt vorbei, am Ufer baden Enten, etwas abseits küssen sich zwei Frischverliebte, es ist ein besonders schönes Stimmungsbild. Die stimmungsvollen Bilder im Wanderführer stammen übrigens vom Autor selbst – der Bildbestand des angedachten Profifotografen reichte für das Wasser-Wanderbuch nämlich schlicht nicht aus. Manche Wanderungen ging Uwe so mehrmals, immer auf der Suche nach dem perfekten Bild – so ein Wetterwechsel überrasche einen im Gebirge dann besonders ungut, erinnert er sich an den letzten Sommer. Einmal saß er sogar am falschen See, der richtige war nur ein Stück weiter, aber der erste sei auch sehr schön gewesen, lächelt der Wanderer ins Wasser.

Natürlich frage ich den Fachmann nach seinen Lieblingsgewässern, und er verrät mir fünf: Der Grüne und der Schwarze See in Nauders, letzterer ein malerischer Moorsee mit seltenen Seerosen. Oder die Blauen Seen im Viggartal, die man vom Patscherkofel und über den seltsam „beschriebenen Stoa“ erreicht (der Wander- und Wundermann Werner Kräutler hat ihn kürzlich übrigens entziffert). Vor allem jetzt im Frühjahr ist auch der Grawa-Wasserfall im Stubai ein wahres Naturwunder, weil dort das Schmelzwasser dann wilde 180 Meter in die Tiefe donnert. Den vielleicht schönsten Ausblick genießt man hingegen am Wildseeloder in den Kitzbüheler Alpen – hier kann man sogar mit einem Boot durchs Panorama paddeln! Zu guter Letzt empfiehlt Uwe noch den „See am Ende der Welt“ – den Roßkarsee im Außerfern müsse man sich mit seinen zwei Wasserfällen zwar echt verdienen, dafür fehlten einem dann aber auch die Worte, versichert mir der Schriftsteller.

Land der Bäche, Land der Ströme, Innsbruck am Meer.

Ganze 60 Touren durch Nordtirol versammelt das „Tiroler Wasser-Wanderbuch“ bildgewaltig und wortgewandt, der Autor hat sie alle selbst erlebt. Keinesfalls selbstverständlich, so führte ein anfänglich konsultiertes Begleitbuch den Autor streckenweise in die Irre – war der Verfasser vielleicht doch gar nie da? Einerlei, denn die Wanderungen am Wasser sind bis auf wenige Ausnahmen sogar komplett und komfortabel mit den Öffis erreichbar, und Uwe Schwinghammer fügt jeder Wanderung dafür auch ihre Anfahrt bei.

Wir haben das Innufer inzwischen gewechselt und es uns in einem Café am Fluss gemütlich gemacht. Wir sprechen über die Schönheit der Innsbrucker Sillschlucht, die mystische Leutascher Geisterklamm und das Geheimnis des Tempels am Hundstalsee, nur eine lockere Tageswanderung von meinem Heimatdorf. Stolze 24.000 Höhenmeter hat der Autor in einem Sommer bewältigt, es gibt wohl kein Gewässer, das er nicht persönlich kennt. Sein Wanderführer zu den Bächen, Seen und Strömen des Landes wird bald im Buchhandel erhältlich sein. Schweigend fließt der Inn vorbei, lautlos landet eine Möwe am Uferzaun, wir schmunzeln still: Innsbruck am Meer.

Fotos: Die eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen in diesem Beitrag wurden uns vom Buchautor Uwe Schwinghammer zur Verfügung gestellt.

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