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Wer eine Städtereise tut, ist gut beraten eine Runde zu gehen und dabei recht ausführlich zu Staunen. Wie etwa der französische Denker Guy Debord, der das unvoreingenommene Durchschreiten unbekannter Gegenden einst sogar umständlich als „Dérive“ definierte und vermutlich einfach gern spazieren ging. Wer dabei nur alles vergisst und sich von seiner Versuchung leiten lässt, erlebt selbst Altbekanntes ganz neu und besonders. Ganz im Sinne des französischen Flaneurs begab ich mich kürzlich also auf eine Stadttour der etwas anderen Art. Die Culinary Craft Tours führen nämlich einmal durch die schönsten Erfrischungen heimischer Handwerkskunst.

Ein Stifterl zum Mitschreiben

Ein kleines Bier heißt hierzulande auch Stifterl, was mit Schreiben üblicherweise aber dankbar wenig zu tun hat. Dass man gleich nach dem Start des kulinarischen Stadtspaziergangs wirklich was zum Schreiben braucht, liegt am schier unermesslichen Wissensschatz, der aus unserer Leitfigur Victoria sprudelt. Noch bevor der erste Zapfhahn kräht, kauen wir im Krahvogel schon emsig an einer Handvoll Gerste, lassen uns also eingangs die Grundzutaten auf der Zunge zergehen. Das Starkenberger HeimatBier ziert dann ein selbstbewusstes Schaumkrönchen mit feinmalziger Note - schön, süffig, sympathisch. Die Brauereibesichtigung serviert Victoria dazu digital am Tablet, so hat man die Hände zum Genießen frei. Den Spinatknödel bringt der Chefkoch nämlich persönlich und geht erst, als auch wirklich alle alles ganz außerordentlich köstlich finden.

Schluck für Schluck ein gutes Gefühl

Weil die Tour aber längst nicht nur frisch Gezapftes kennt, gibt’s gleich im Anschluss ein sogenanntes „Saftl“, also Wasser mit Zucker und Zusätzen. In unserem Fall verkünstelt sich der Spülschluck von AlpPine Spirits allerdings außergewöhnlich g’schmackig in heimischer Latschenkiefer. Bevor es weitergeht, heißt die Latsche im Likör dann passenderweise „Zapfenstreich“ und bekommt von allen ein Herzerl im Begleitheft der Biertour. An der frischen Luft verkündet Michael vom Bezirksblatt heiter, dass morgen alle in der Zeitung sind und gelobt uns scharfe Zensur alkoholbedingter Auffälligkeiten. Ein durchaus angemessenes Vorwort, denn in der Bierwelt Tirol lässt sich dann auch Victoria zum einem „Kosterl“ (Versuchsschluck) verführen. Hausherr Igor Pshenyshnyuk hat auch echt gute Argumente auf Lager, zum Tux Mountain Porter passt etwa Zartbitterschoko mit Salznote. Wichtig ist, dass man heute mit einem guten Gefühl nach Hause geht, verkündet unsere Bierfachfrau und erlaubt Igor dann sogar eine spanische Rarität auszuschenken, zum besseren Vergleich versteht sich.

Singles Tour trifft Bierdate

Zur nächsten Station haben wir es zum Glück nicht weit, die Markbar liegt gleich gegenüber. Hier sprudelt dann der erste heimische Naturradler im Glas, hergestellt im Braukunsthaus von Zillertal Bier. Dazu wird herzhafter Alpenschimmelkäse gereicht und ein Nako „Skiwasser“ mit zarter Zirbennote. Während wir uns so durch Wald und Wiesen träumen, erläutert Victoria Herstellung und Hintergründe. Wir erfahren auch, dass die Culinary Craft Tours niemals gleich ablaufen, weil Angebot und Sorten eben auch der Saison geschuldet sind. So steht im September auch eine Singles Tour am kulinarischen Kulturprogramm, mit prickelnden Bierdates für Gleichgesinnte.

Unsere Tour endet schließlich im Tribaun, nur Michael hat sich unterwegs irgendwo im Dérive verlaufen. In der Kellerbar stehen dafür schon über ein Dutzend Zapfhähne stramm und im Hinterstübchen hat man für uns die Tafel gedeckt: Hausbrot vom Holzfeuer, garniert mit einer zünftigen Brettljause, das erste Pale Ale heißt Padawan. Famos fruchtig mit bitterem Bouquet, wir sind uns einig. Ein genauso erfrischendes Mountain Pale Ale später schenkt Victoria das Finale ein: Rotes Öl von Bierol, weil der Opa vom Braumeister sein Red Ale so nannte. Humorvoll hopfig geht der Abend zu Ende und zum Abschied gibt’s für alle noch einen Goodie-Bag mit Erinnerungen. Auch das gute Gefühl spricht längst für sich: Wer Bier auch nur ein bisschen mag, lernt es hier so richtig lieben. Und Innsbruck ganz nebenbei. Wer Lust und Durst bekommen hat, kann hier mitmachen.

Restaurant-Bar Krahvogel / Anichstraße 12 / +43 512 580 149 / krahvogel.com

Bierwelt Tirol / Marktgraben 2 / +43 677 611 581 71 / bierwelt.tirol

Marktbar am Inn / Innrain 2 / +43 512 319 594 / marktbar-am-inn.at

Tribaun / Museumstraße 5 / Reservierungen: squarespacescheduling.com / tribaun.business.site

Culinary Craft Tours / culinarycrafttours.com / office@culinarycrafttours.com

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