ak-eroeffnung-26

Make America Glam Again! postuliert ein glitzernder Donald Trump im Drag-Dress Richtung Kamera. In Zeiten von Fake News und „alternativen Fakten“ wird die Wahrheit wichtiger denn je. Aber wie kommt man an den wahren Kern, wer hört die Whistleblower, wer liest die Panama Papers und wer kann darüber dann wirklich objektiv berichten? Fragen, die in jeder guten Zeitung tagtäglich in diversen Sprachen beantwortet werden, von fähigen Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt. Die Internationalen Tage der Information stehen nicht nur am Innsbrucker Journalismusfest vom 12. bis 14. Mai ganz im Dienste der Wahrheit. Was uns dort erwartet, hat uns Benedikt Sauer, Innsbrucker Universitätsprofessor und Literaturwissenschaftler, Journalist, Buchautor und Leiter des Innsbrucker Journalismusfests, verraten.

Internationale Tage der Information. Warum werden valide Informationen aktuell eigentlich immer wichtiger, wertvoller – und sind trotzdem immer schwerer zu bekommen?
Benedikt Sauer: „Valide, verlässliche Informationen waren immer schon wichtig. Die Debatte über die Verlässlichkeit von Informationen, über Versuche der Beeinflussung, über Propagandainstrumente (denken wir an die Embedded Journalists im Irakkrieg der USA oder an die Beobachtungen von Karl Kraus zur Propaganda im Ersten Weltkrieg) ist so alt wie der Journalismus selbst. Mit der Möglichkeit, dass Meinung, Haltung und Lügen als ‚Information‘ heute über persönliche Social-Media-Kanäle die Runde machen können, sind die Herausforderungen für Journalismus jedoch noch immens größer geworden.“

„Verlässliche Informationen, auch Hintergrundinformationen, sind ja nach wie vor zu bekommen. Internationale Informationen sogar mehr denn je. Und es ist schön zu beobachten, wie die Kooperationen zwischen Redaktionen gerade bei investigativen Recherchen zunehmen. Freilich: Sich informieren ist auch anstrengend. Kostet Zeit. Und auch ein wenig Geld. Geld für ein Nahrungsmittel der Demokratie.“

Journalismusfest Innsbruck – was kann man sich darunter denn so vorstellen?
„Wir laden ein, einfach hinzugehen, zu den frei zugänglichen Veranstaltungen. Und sich, wie wir Journalistinnen und Journalisten ja tagtäglich, ein eigenes Bild zu machen – bei Debatten, Ausstellungen, Filmen oder im Hörkino. Das Festival ist ein Ort der Information, ja, der Hintergrundinformation aus erster Hand, mit Blick in diverse Regionen der Welt! Es geht um aktuelle, uns wichtige, interessant erscheinende Fragestellungen: Was ist los im Iran, wie geht es der feministischen Protestbewegung dort? Wie arbeiten russische Medien im Exil? Was hat der Raubbau von Bodenschätzen im Kongo mit der Digitalisierung zu tun? Aber auch: Wie entstehen Reportagen über Tiere? Oder etwa: Wofür leben wir? Auch Sinnfragen werden journalistisch recherchiert.“

„Das Journalismusfest Innsbruck ist ein Begegnungsort, ein Ort der Debatte, des kulturellen Austauschs.“ Was erwartet die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr konkret?
„Wir erwarten namhafte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt: Tsitsi Dangarembga, eine der prononcierten und wichtigsten Stimmen des afrikanischen Kontinents, zu ihrem neuem Buch ‚Black and Female‘. Oder den polnischen Journalisten und Essayisten Adam Michnik, ehemals Berater der Gewerkschaft Solidarnosc, einen der schillernden Intellektuellen Osteuropas, nach wie vor Chefredaktuer der großen liberalen Zeitung Gazeta Wyborcza. Oder auch Galina Timtschenko, Herausgeberin des unabhängigen russischen Onlinemediums Meduza, das nun im Exil arbeiten muss. Aus Kyiv zugeschaltet wird Luke Harding, namhafter Investigativreporter des britischen Guardian. Und wir zeigen auch eine Sonderausstellung zu kritischer Kartografie, die eigens für das Festival entstand.“

Das Journalismusfest ist auch ein grenzübergreifendes Kooperationsprojekt. Wer macht mit, und warum sind Kooperationen und Austausch eigentlich gerade im Journalismus so unentbehrlich?
„Aufwändige Hintergrundrecherchen und grenzübergreifende Investigativprojekte haben gezeigt, dass nur internationale Kooperationen Sinn machen: An den Enthüllungen der Panama Papers etwa, zu den gigantischen Geldwäsche-Geschäften von Oligarchen, Politikern und Prominenten, waren an die 600 Reporterinnen und Reporter aus 117 Ländern beteiligt. Hier wurden und werden natürlich auch ganz unterschiedliche Kompetenzen gebündelt. Es ist gut, dass die sonst ja leider allgegenwärtige Konkurrenz in der Medienlandschaft bei solchen großen Projekten überwunden wird. Das könnte ruhig öfter der Fall sein, durchaus auch regional! Das Journalismusfest ist auch ein Versuch, Begegnungen und Austausch zu ermöglichen.“

Stolze 17 Locations bespielen die 122 Mitwirkenden des Journalismusfests quer durch die Innsbrucker Innenstadt – welche Spots und Termine sollte man dort keinesfalls verpassen?
„Wir als Redaktions- und Organisationsteam der Internationalen Tage der Information laden ein, sich mal ganz in Ruhe mit dem Programm zu befassen. So kann sich jede und jeder nach eigenen Interessen während der Festivaltage bewegen. Meine und unsere Interessen oder Vorlieben decken sich gewiss nicht mit den Interessen mancher Besucherinnen und Besucher – und das ist gut so! Das macht nur konkrete Empfehlungen an dieser Stelle leider faktisch unmöglich.“

„Die einen wollen vielleicht mehr über die aktuellen internationalen Konflikte erfahren, andere möchten lieber einen geschärften Blick zum Nachbarn Afrika werfen, die nächsten interessieren namhafte rumänische Künstlerinnen und Künstler. Oder lieber ein bedeutender Reporter und Award-Gewinner aus Lateinamerika. Oder etwas über die Entwicklung der Europaregion sowie aktuelle Herausforderungen für Alpenstädte. Aber auch Tierreportagen und die eingangs erwähnten großen Sinnfragen. Wieder andere interessieren die Hintergründe zu aktuellen Investigativrecherchen oder ein Live-Podcast.
Ein neues Format möchte ich jedoch besonders erwähnen: Erstmals in Österreich gibt es nämlich auch einen Reporter:innenslam – mit Beteiligten aus dem ganzen deutschen Sprachraum.“

„Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird“, schrieb einst George Orwell. Wie kann man unabhängigen Qualitätsjournalismus auch abseits vom Journalismusfest sinnvoll unterstützen?
„Danke speziell für diese Frage. Wie ebenfalls eingangs erwähnt, kostet ein wenig Qualität immer auch ein wenig Geld. Darum ist die Antwort eigentlich denkbar einfach: durch den Kauf von Zeitungen und guten Magazinen. Oder mit einem Abo. Durch das Bezahlen von Online-Informationen. Wer etwas mehr Geld ausgeben möchte und kann: durch den Kauf von Anteilen einer unabhängigen Medienstiftung.“

Vielen Dank für das informative Interview, Herr Sauer!

Fotos: Die Bilder in diesem Beitrag wurden uns von Herrn Sauer zur Verfügung gestellt und von Frau Alena Klinger ganz vortrefflich geknipst.

Ähnliche Artikel