Es ist wahrlich kein Wunder, dass die Innsbrucker Altstadt zu Österreichs, ja sogar zu Europas Top-Reisezielen gehört. Das mittelalterliche Flair, die engen Gassen und der schönste Prunkerker der Welt sind einfach einzigartig. Wer sich etwas genauer umschaut kann einen Bonus lukrieren. Denn die Altstadt hat noch einiges mehr zu bieten.
Ihr Grundriss ist auch noch mehr als 850 Jahre nach der Gründung mehr oder minder gleich geblieben. Nördlich der Stadt vom Inn geschützt, der Rest von einer hohen Stadtmauer umgeben und mit wassergefüllten Gräben gesichert konnte die Stadt ausschließlich durch die Stadttore betreten werden. Von Osten her kommend (also von der Hofburg aus) betrat man das Zentrum durch das Wappentor, von Süden kommend war es das 1765 abgebrochene Spital- oder Vorstadttor, das man durchschritt. Weiter zum Marktplatz gelangte man durch das Pikentor und zur Innbrücke hin passierte man das 1790 abgebrochene Inntor.
Durch das Spital- oder Vorstadttor zum Goldenen Dachl
Wenn sich Besucher der Stadt von Süden näherten, bewegten sie sich auf den golden glitzernden Prunkerker zu. Das war eine pure Demonstration von Macht und Herrlichkeit, eine der vielen Inszenierungen von Kaiser Maximilian, dem ‚letzten Ritter‘. Die heutige ‚Herzog-Friedrich-Straße‘ war denn auch bis in die Neuzeit hinein die eigentliche ‚Hauptstraße‘ Innsbrucks und der Altstadt. Von der Maria-Theresien-Straße kommend biegt sie vor dem Goldenen Dachl scharf nach links ab in Richtung Ottoburg und Inntor. Über sie rollte einst der gesamte Verkehr vom Brenner in Richtung Innbrücke und auf dem linksseitigen Innufer weiter ins Unter- und Oberland.
Der historische Stadtplatz
Der Platz vor dem Goldenen Dachl war einst der ‚Stadtplatz‘ - hier befindet sich auch noch heute das alte Rathaus - und diente Kaiser Maximilian als Turnierplatz. Der Imperator genoss die Darbietungen der kühnen Rittersleut’ von seinem Erker aus, dessen geheime Inschrift ja inzwischen entschlüsselt worden ist. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, wie es bei den Turnieren am Stadtplatz zugegangen sein musste, kann das quasi an Ort und Stelle tun. Der Eckturm des Katzunghauses weist zahlreiche Relieftafeln auf, die ganz offenbar den Ablauf von Turnieren wiedergeben. Auf einer dieser Tafeln dürfte sogar der Kaiser verewigt worden sein.
Der Stadtplatz wurde nicht nur für Ritterspiele und Gaukeleien genützt. 1536, also in den düsteren Zeiten der Verfolgungen von Reformationsbewegungen, wurde Jakob Huter am Scheiterhaufen nach brutalen Folterungen verbrannt. Die katholische Kirche entledigte sich damit des Führers der ‚Täuferbewegung’, die in Tirol viele Anhänger gewonnen hatte.
Ein Hofzwerg, der einst aus einer Pastete sprang
Wer die Stadt von Osten kommend betritt, passiert das einstige Wappentor, heute ein Teil der barocken Hofburg. Im Gasthaus Stiftskeller ist nicht nur ein letzter Rest der massiven Innsbrucker Stadtmauer zu sehen. Ein Fresko in der Gaststube versetzt den interessierten Besucher in die Zeit, als Innsbruck Residenzsstadt gewesen ist.
Die ersten beiden linksseitigen Häuser der Hofgasse gehören zu den interessanten Gebäuden der Altstadt. Im ersten Eckhaus, dem ‚kleinen Riesenhaus’ logierte einst der Hofzwerg Thomele, der auch auf einem Außenfresko verewigt ist. Er war 65 Zentimeter klein und musste die Hofgesellschaft unterhalten. Brachte er die Leute nicht zum Lachen setzte es Ohrfeigen und Fußtritte. Legendär sein Auftritt bei einer Hochzeit, als er zur Belustigung der Gäste beim Mittagsmahl aus einer Pastete sprang.
Das daran anschließende Haus ließ Erzherzog Sigmund von Tirol 1480 für seinen Burgriesen Nikolaus Haidl erbauen. Sein 2,20 Meter großes Skelett wird im Anatomischen Museum der Uniklinik Innsbruck verwahrt. Die Statue des Riesen fehlt am dafür vorgesehenen Platz, wird aber im ersten Stock des Stadtturms aufbewahrt. In diesem Haus logierte übrigens sogar Prinz Eugen von Savoyen. Im Jahre 1809 belieferte die Küche des Hauses die Tafel des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer, der mit seinem Gefolge von der Hofburg aus regierte.
Und noch etwas macht dieses ‚Riesenhaus‘ bekannt: der sogenannte ‚Flüsterbogen‘. Der Zugang zum Souvenirgeschäft ist ein Türbogen aus der Renaissance in dem zwei gebogene Rinnen liegen. Durch die können flüsternd Botschaften geschickt werden, die auf der gegenüberliegenden Seite auch tatsächlich ankommen. Quasi ‚stille Post‘ per Torbogen, bestens dafür geeignet, Heiratsanträge zu machen.
Deckenfresken in Innsbrucks Lauben
Selbst Einheimische staunen bisweilen, wenn man sie auf zwei Deckenfresken in Innsbrucks Lauben anspricht. Man kann hundertmal unter ihnen durchgegangen sein ohne sie zu bemerken. Das Fresko beim Helblinghaus dürfte aus der Spätgotik stammen, ist über das Stadium des Entwurfes jedoch nicht hinausgekommen. Die Entwurfskizze ist deutlich sichtbar, da gibt’s Pflanzengirlanden, Sonne und Mond sowie einen Adler zu bewundern.
Das zweite Fresko ist ein sogenannter ‚Quaternionadler‘, der in den Lauben des Hauses Herzog-Friedrich-Straße 35 vor dem McDonald's-Eingang ein nahezu unscheinbares Dasein führt. Das Fresko ist um 1495 entstanden und zeigt den Reichs-Doppeladler. Die Federn sind mit Wappen des römisch-deutschen Reiches verziert.
Zwei berühmte Familiennamen als Straßennamen
Innsbrucks Altstadt weist zwei Straßen auf, die auf Persönlichkeiten zurückgehen. Da ist einmal die ‚Riesengasse’, deren Namen sich vom Familiennamen ‚Rieß’ ableitet. Die angesehene Kaufmannsfamilie logierte hier, als die Gasse noch ‚Judengasse’ hieß. Sigmund Ris, ein Mitglied dieser Familie, fungierte als Hofkaplan und Beichtvater Kaiser Maximilians. Er logierte einst auf dem ‚Rieß-Schlössl‘ in Flaurling.
Die Kiebachgasse, an deren oberem Ende das Café Munding ‚ordiniert‘ und dessen Fassade eine Granate aus den Freiheitskriegen ziert, war lange Zeit als ‚Ballgasse‘ bekannt. Hier lagerten die Händler ihre Waren (Ballen). Der heutige Name Kiebachgasse geht auf den Schlossermeister Josef Kiebach zurück, der nach seinem Tod im Jahre 1875 sein gesamtes Vermögen der Armenfürsorge der Stadt überließ. Immerhin waren es damals 75.000 Gulden, nach heutigem Wert etwa eine Million Euro. Und Ehre, wem Ehre gebührt.
In der Seilergasse wurden nicht immer schon Seile geflochten. Zu Maximilians Zeiten war das noch die Fleischergasse. So ändern sich die Zeiten.
In der jüngsten Vergangenheit ist dieses Gässlein einigermaßen in Verruf geraten. Der Grund: Hier befand sich die Piccolo-Bar, ein Treffpunkt von leichten Mädchen und nachtschwärmenden Männern. Die wunderbare Website ‚Innsbruck erinnert sich‘ schildert an einem Beispiel en detail, was sich hier alles - bisweilen lautstark - getan hatte. Aber auch, wie die Polizisten gern und ausführlich in der Bar recherchierten und ausführliche Protokolle anlegten.
Das ‚Vier-Viecher-Eck‘ - quasi ein mittelalterlicher Kreisverkehr
Wer aus der Seiler- oder Kiebachgasse in Richtung Marktplatz eilt, trifft unvermittelt auf eine Art Kreuzung mitten in der Altstadt. Einst bekannt als das ‚Vier-Viecher-Eck‘. Gleich vier Wirtshäuser, bilden hier eine Art ‚gastronomische Menagerie‘: Goldener Löwe, Goldener Hirsch, Roter Adler und Weißes Rössl. Allen gemein: Sie harrten schon im Mittelalter der Fuhrleute, Gäste und Zecher, die durstig daherkommen.
Und wo bleibt der Dom?
Dass der Dom zu St. Jakob abseits steht, ist einer besonderen Art des Städtebaus geschuldet. Innsbruck ist im Stil der Inn-Salzach-Städte erbaut, die Marktplatz und Kirche trennen. Jesus hatte bekanntlich die Händler aus dem Tempel gejagt. Das wollte man bei diesem Stadttypus vermeiden. Durch die Pfarrgasse gelangt man zum Dom, der eines der berühmtesten Gemälde des gotischen Meisters
Lucas Cranach d.Ä. beherbergt: das Bild ‚Mariahilf‘. In der angehenden Neuzeit pilgerten hunderttausende nach Innsbruck, um vor dem ‚Gnadenbild‘ zu beten und um Linderung von Schmerz und Qual zu bitten. Es war so berühmt, dass es heute noch hunderte Hauswände in Tirol als Replik ziert. Allein in Innsbrucks Altstadt habe ich mehr als 30 Repliken gezählt.
Eine weniger religiöse Verwendung fand der Dom, genauer gesagt dessen Südturm als ‚Koordinatenursprung der K.K. Katastralvermessung für Tirol und Vorarlberg, 1855-1861’ im Rahmen der Erstellung des Franziszeischen Katasters. Damals wurden knapp 50 Millionen Grundparzellen auf 160.000 Mappenblättern erfasst. Der Kataster bildet heute noch die Grundlage des österreichischen Grundbuchs. Nähere Informationen gibt's wiederum auf der Website des Stadtarchivs.
Dass die Innsbrucker Altstadt als ‚romantisch‘ gilt, ist kein Wunder. Die wundervollen Bürgerhäuser mit dem rokkokoverzierten Helblinghaus, dem Stadtturm und natürlich dem Goldenen Dachl versetzen die Besucher in eine Lebensumwelt, wie sie hier vor mehr als 500 Jahren bestanden hatte. Wer dann noch Drachen in luftiger Höhe schweben sieht fühlt sich gar an ein Märchen erinnert.
LINK zum Stadtarchiv
Innsbrucks hochinteressante Website des Stadtarchivs - ein Bilderblog - hat viele Geschichten über Innsbrucks Straßen parat: https://innsbruck-erinnert.at/
Das aktuelle Buch zu unseren Straßennamen ist im Tyrolia-Verlag erschienen: https://www.tyroliaverlag.at/item/Die_Innsbrucker_Strassennamen/Josefine_Justic?isbn=9783702232139
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Alm-Freiwilliger in der 'Schule der Alm', Kultur-Pilger, tirol-Afficionado, Innsbruck-Fan.
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