Krauter

Wenn am 5. Dezember in Tirol die Krampusse umgehen ist alles klar: Die Winterszeit mit all den bösen Geistern, den Teufeln und Hexen hält Einzug. In Tirol werden radikale Sofortmaßnahmen ergriffen, um diese finsteren Gesellen zu vertreiben. Der 'Gegenangriff' während der Rauhnächte wird ‚rachn‘ genannt und schon seit Menschengedenken praktiziert. Das feindlich eingestellte und sinnlos herum geisternde Gesindel soll ausgeräuchert und unter Rosenkranz-Gemurmel samt  Verspritzen von Weihwasser verjagt werden.

Am Winteranfang geht's los

Die dunkel-kalte Zeit der Geister, die den Menschen früher Angst gemacht hatte, erreicht mit dem offiziellen Winteranfang ihren Höhepunkt. Als man sein Dasein noch ohne Strom und Zentralheizung fristete wurde vor allem der pfeifende Lärm der Winterstürme gerne der Geisterwelt zugeordnet. Vor der 'Wilden Jagd' hatte man großen Respekt, kündeten doch allerlei zusätzliche Geräusche aus dem Wald von der sicheren Anwesenheit böser Geister. Dagegen wollte man Haus, Hof und Tiere schützen. Die zwölf Tage nach Winterbeginn standen ganz im Zeichen der Geisterabwehr mit Rauch und Rosenkranz.

In der Nacht zum Thomastag, das ist die längste Nacht des Jahres zwischen dem 20. und 21. Dezember, begann der Brauch, der bis in die Nacht vom 5. auf den 6. Jänner praktiziert wurde und heute noch in vielen Häusern gepflegt wird. Abends wird eine Pfanne auf den Herd gestellt. Und wenn die siedend heiß ist, werden meist ausgewählte Alpenkräuter zum Verglimmen gebracht. So ausgerüstet, beginnen die Hausbewohner dann, bei einem Rundgang das gesamte Haus ‚auszuräuchern‘, damit Hexen und böse Geister das Weite suchen.

Rauchware mit mehr als 20 Blüten, Kräutern und Blättern

In Tiroler Bauernhäusern werden meist 20 oder mehr verschiedene Kräuter, Gräser und Blüten im Sommer gesammelt und im Winter verwendet, um alle Zimmer, die Tenne und den Stall ‚auszuräuchern‘. Die Auswahl ist von Tal zu Tal, ja von Hof zu Hof verschieden.

Gerne verwendet werden Wohlgemut (das ist der wilde Oregano Tirols), Thymian, Pfeffer- und Katzenminze, Kamille, Lavendel, Breit- und Spitzwegerich, Johannis- und Mutterkraut, Wermut, Himbeer- und Haselnussblätter, Nachtkerzenblüte und Weihrauch. Allerlei Blüten, wie etwa die von Rosen und Schneeballsträuchern, gesellen sich zur Kräutermischung. Vielfach wird auch noch Weihrauch zugesetzt. Einen hervorragenden Überblick über ‚modernes Räuchern‘ unter Verwendung lokalen Rauchwerks gibt ein Buch, das ich herzlich empfehlen kann. Es ist bei Tyrolia erschienen: „Räuchern in den Alpen“. (Siehe auch Link am Ende des Textes).

Woher kommt der Name 'Rauhnächte`?

Die Rauhnächte sind also die Zeit des ‚Rachns‘. Meist werden Haus, Hof und Tiere an drei Tagen 'geräuchert', am Weihnachtsabend, zu Sylvester und in der Nacht vor Dreikönig.

Woher der Namen 'Rauhnächte' stammt ist nicht eindeutig. Entweder von der ‚Wilden (rauhen) Jagd‘, in der die stürmischen Mächte in Form von bösartigen Geistern und Gespenstern samt gefährlichem Hexenzeug ihr Unwesen treiben. Oder aber - naheliegend - vom Rauch, der früher Rûch genannt worden war. 

Auch für sich selbst kann man mit dem Rauch Gutes tun: Wer Hüte und Mützen über die Rauchpfanne hält und damit rasch den Kopf bedeckt beugt etwaigen Kopfleiden vor. Und wenn die Asche aus der Räucherpfanne dann auch noch im Garten verstreut wird darf mit einem guten Ernteertrag im darauffolgenden Jahr gerechnet werden.

Orakelbräuche: vom Schuhwerfen bis zum Losen

Mit Rachn allein ist's nicht getan. Die dunkelste Zeit des Jahres rund um die Rauhnächte wird nicht nur in Tirol zu einer Art 'Orakelzeit’. In diesen unheimlichen Nächten ist viel über die Zukunft zu erfahren, wenn man denn weiß, wie das Orakel quasi befragt werden muss.

Vor allem der Thomastag gilt in Tirol seit jeher als ein regelrechter ‚Lostag‘.Los kommt von ‚losn‘, was ‚horchen‘ oder ‚hören‘ bedeutet. Plötzliches Klopfen zu Mitternacht, schnell verfaulende Zwiebelschalen künden von Krankheit. Gerne interpretierte man auch die Geräusche des Ofens, der einst mit Holz befeuert worden war. ‚Singendes Feuer‘ war ein Hinweis auf künftiges Glück während ‚zischendes Feuer‘ Krankheit und Tod avisierte.

Dr. Petra Streng, die Volkskundefachfrau meines Vertrauens, erzählte mir von einem weiteren Brauch, nämlich jenem des Schuhwerfens, der vor allem bei Dienstboten gang und gäbe war. Man warf dabei einen Schuh hinterrücks in Richtung Türe. Wenn der Spitz zur Türe zeigte, war das ein Hinweis auf einen Wechsel zu einer anderen Herrschaft.

Unverheiratete Mädchen haben sich später dieses Orakels bemächtigt und warfen ebenfalls Schuhe über ihre Schulter in Richtung Türe. Zeigte die Spitze in Richtung Tür stand eine Hochzeit ins Haus.

Die Frau Percht muss beruhigt werden

Im Tiroler Brauchtum sorgte lange Zeit die ‚Frau Percht‘ mit ihrem Gefolge - darunter sogar verstorbene Kinder - für Angst und Schrecken. Sie war quasi eine Moralinstanz die es zu beruhigen galt. Wer zu später Stunde noch einer Arbeit nachgeht oder etwa Wäsche aufhängt wollte sich partout nicht in Ruhe auf das Weihnachtsfest vorbereiten und wurde von ihr bestraft. Beruhigend ist ihre Bestechlichkeit: Die gute Frau konnte beruhigt werden, indem man Nahrungsmittel wie Brot und Milch auf den Tisch stellte. Ob das heute noch so ist weiß ich leider nicht. 

 

Liebesleben-Orakel

Besonders beliebt war ein Orakel, das das künftige Liebesleben voraussagte. So nahmen Mädchen in der Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember gegen Mitternacht ein glühendes Holzstück aus dem Ofen und sahen es genau an. War es gerade, so kündigte sich ein schöner Mann an. War es rauh, so standen ihr zähe Jahre mit einem jähzornigen Mann bevor. Nur gut, dass es heute kaum noch Holzherde gibt.

Mädchen, die quasi auf Nummer sicher in Sachen Bräutigam gehen wollten riefen dreimal die laute Frage zum Fenster, was sie für einen Mann bekommen werden. Aus dem darauf folgenden Schall schlossen sie auf die Zukunft. Ein Schuss kündete von einem Jäger, ein daherfahrender Wagen einen Fuhrmann und ein knarrendes Tor einen Bauern als Zukünftigem. Ob der Zukünftige Astronaut ist, wenn dem Ruf eine Feuerwerksrakete folgt, bleibt dahingestellt.

Und wer jetzt über soviel ‚Aberglauben‘ lacht sollte sich bewusst sein, dass sich die Orakelbräuche bis heute gehalten haben. Von den ‚Jahreshoroskopen‘ in den Zeitungen über astrologische Analysen bis hin zum Bleigießen wollen wir doch alle wissen, was uns die Zukunft bringt. Deshalb gießen wir zu Sylvester sicherheitshalber Blei!

Geister und Gespenster in der Innsbrucker Altstadt

Erstmals wird es heuer auch in der Innsbrucker Altstadt ‚unheimlich‘ zugehen. In der Stift- und Schlossergasse werden ‚Lichtgeister‘ die Wände bevölkern, Lichtkegel und ‚Tore in die Unterwelt‘ für angenehmes Gruseln bei Besuchern sorgen. Im Waltherpark wird jene mystische Stimmung herrschen, in der sich Geister und auch die 'Wilde Jagd' wohlfühlen.

Die Lichtinstallationen zum Thema Rauhnächte stammen von einem heimischen Künstlerkollektiv. Zu sehen in Stiftgasse, Schlossergasse und Waltherpark von 29.12.2023 bis 6.1.2024, jeweils ab 17:00 Uhr.

Unser Link zum Thema: Modernes Räuchern

Das im Tyrolia-Verlag erschienene Buch 'Räuchern in den Alpen' gibt einen guten Überblick darüber, wie modernes Räuchern erfolgen kann.

Darin widmet sich die „Zammer Kräuterhex“Michaela Thöni-Kohler 80 einheimischen und/oder bei uns seit langer Zeit gebräuchlichen Räucherpflanzen aus Wald, Wiese und Garten, beschreibt deren seelische und körperliche Wirkung beim Verräuchern, informiert über deren Verwendung in der Volksheilkunde und gibt Tipps, zu welchen Räuchermischungen die jeweilige Pflanze am besten passt.

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