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Es ist schon ein eigener Menschenschlag, der sich in der heutigen Zeit die Arbeit antut, Schafe zu halten. Sie im Frühsommer auf die Almen zu treiben und zu Herbstbeginn wieder ins Tal zu holen. Aus finanziellen Gründen tun es jedenfalls die Wenigsten, denn reich wird man damit mit Gewissheit nicht. Und es muss eine ganz außergewöhnliche Art von Idealismus, Familientradition und Heimatliebe sein, die unsere Schafbauern Jahr für Jahr motiviert, Tirols Hochalmen von ihren Tieren beweiden zu lassen. Ich habe jedenfalls tiefen Respekt vor diesen Bauersfamilien, die mit ihrer Arbeit und ihren Tieren dafür sorgen, dass unsere Almen so schön bleiben wie sie sind. Und nicht von Büschen überwuchert oder gar von Muren zerstört werden.

Schafabtrieb bei Schnee im Fotschertal in der Nähe von Innsbruck

Nicht gerade so steil wie beim freien Fall, aber steil genug: die Hirten beim mühevollen und kräftezehrenden ‚Einsammeln‘ der Schafe hoch über dem Inneren Fotschertal. ©Thomas Brecher

Schafe beim Schafabtrieb im Fotschertal

In langen Reihen zogen die Tiroler Bergschafe von ihren bis auf 3.000 m reichenden Futterplätzem auf die niedriger gelegene Seealm um von dort den Weg nach Hause anzutreten. ©Thomas Brecher

Mehr als 1.000 Schafe im Fotschertal

Die mehr als 1.000 weißen und braunen Bergschafe der etwa 40 Axamer und einiger „auswärtiger“ Schafbauern verbringen ihren Sommerurlaub seit Jahrzehnten auf der Seealm im hintersten Fotschertal, einem Seitental des Sellraintales. Die Dimensionen der Alm sind beeindruckend: die insgesamt 2.800 Hektar Almfläche reicht von 2.000 bis auf über 3.000 m Seehöhe. Was man ja kaum glauben möchte: die kargen Weiden im Gebirge mit ihren Kräutern und Gewürzgräsern haben einen enorm hohen Nährwert. Kein Wunder also, dass die Tiere beim Schafabtrieb „kugelrund und g’sund“ von der Alm zurückkehren. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mir eine Haubenköchin einst verraten hat, dass das Fleisch von Alm-Lämmern quasi schon gesalzen ist und deshalb ohne jeden Zusatz von Salz zubereitet werden könne. Und dann noch die Gewürzkräuter, die das Alm-Lammfleisch zu einem der köstlichsten Fleischsorten veredeln, die wir in den Alpen erzeugen können. Da schlagen die Gourmet-Herzen höher.

Schafabtrieb auf verschneiten Hängen im Inneren Fotschertal in der Nähe von Innsbruck, ©Thomas Brecher

Eigentlich ein archaisches Bild: Axamer Hirten und Treiber mit ihren Tiroler Bergschafen auf den über Nacht verschneiten Hängen des Inneren Fotschertales. ©Thomas Brecher.

Der Schafabtrieb im Fotschertal 2017

In langen Reihen brachten die Hirten, Bauern und Treiber die Schafe zu Tal. ©Thomas Brecher

Einen halben Meter Schnee vor dem Schafabtrieb

Thomas Brecher ist der Obmann des Schafzuchtvereins Axams.

Thomas Brecher ist der Obmann des Schafzuchtvereins Axams.

„Glück gehabt“, sagt Thomas Brecher, Obmann des Schafzuchtvereins Axams nach der erfolgreichen Rückkehr von mehr als 1.000 Schafen nach einem unfallfreien Almjahr. An die Mühen, heuer die Schafe hoch oben zu finden und zusammen zu treiben möchte er aber eigentlich nicht mehr denken. „Der Schneefall der letzten Tage war für uns schon sehr strapaziös“, sagt er.

Vier Tage vor dem eigentlichen Schafabtrieb mussten Thomas und sechs weitere Hirten und Helfer beginnen, die Schafe erstens zu suchen und zweitens zur Seealm zu bringen. Nebel und bis zu einem halben Meter Schnee haben diese Arbeit zu einer Tortur gemacht. Sogar Lawinen sind abgegangen. Das Problem: Schafe verharren am Fleck, wenn sie es versäumen vor dem Schneefall abzusteigen. Und wenn um sie herum Schnee liegt, bewegen sie sich nicht mehr. „Mit Rufen und Locken haben wir es dann dennoch geschafft, alle Tiere zu finden und zu Tal zu bringen“ freut sich Thomas Brecher, der auch Obmann der Alminteressentschaft Seealm ist. 

Schafabtrieb, die Herde des Schafabtriebes vor Grinzens

Die Herde des Schafabtriebes vor Grinzens. Immer erpicht darauf, ein Maul voll Gras zu erwischen und daher auszubüchsen…

Schafabtrieb Axams

Was den Schafen das maulvoll Gras am Wegesrand ist,  sind den Hirten die Stärkungen, die von der Bevölkerung immer wieder gereicht werden.

Knöchelbruch im Tiefschnee

Aber leider ist’s heuer nicht ganz ohne Unfall abgegangen. Ein Treiber musste mit einem Knöchelbruch von der Bergrettung geborgen und in die Innsbrucker Klinik gebracht werden. Im tiefen Schnee hatte er eine Geländeunebenheit nicht gesehen und war umgeknickt. Besser ist’s den Schafen ergangen, die die widrigen Umstände bei ihrem Abgang von den Hochweiden relativ gut und vor allem unbeschadet überstanden haben.

Schafabtrieb - Ankunft in Axams

Der Einzug der 1.000 Schafe in Axams. Ein wahrhaft archaisches Bild und ein ganz wunderbares Erlebnis nicht nur für die Hirten, sondern sichtlich auch für die Schafe. Ganz besonders erfreulich ist die Teilnahme von vielen Jugendlichen und Kindern am Schafabtrieb.

Großes Fest zum 80. Jubiläum des Axamer Schafzuchtvereines

Und so gönnen sich Hirten, Bauern und Treiber nach der Rückkehr der Tiere in Axams ein Bier. Melancholisch ist nicht der richtige Ausdruck, den viele „Almeler“ am Ende der Saison befällt. Ist doch die Arbeit auf den Almen im Hochgebirge alles andere als leicht und lustig. Und dennoch blicken sie wehmütig auf den Sommer zurück, den sie in der grenzenlosen Freiheit der Hochalmen verbracht haben.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend bei den Axamer Schafbauern. Denn sie feiern am Sonntag den 17. September 2017 das 80-jährige Bestandsjubiläum mit einer großen Jubiläums-Schafausstellung. Und dann wird sicher auch ein Lied angestimmt, das jetzt schon wieder Lust auf den nächsten Almsommer macht: „Eine Herde weißer Schafe ist mein Königreich…“ 

Achja: ab sofort ist in Axams das „Goasslschnöllen“ (Peitscheknallen) erlaubt. Ab dem Zeitpunkt des Viehabtriebs von Anfang September bis hin zum herbstlichen Höhepunkt, am sogenannten „Kirchsonntag“ (3. Sonntag im Oktober) ist das Schnölln erlaubt!

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Mein Tipp:

  • Reisen Sie zur Jubiläumsausstellung des Schafzuchtvereins Axams mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an. Die Veranstaltung beginnt am 17. September um 9 Uhr. Um 14 Uhr erfolgt die Ermittlung der Gesamtsieger.
  • Sparen Sie sich Ihren Hunger auf! Beim Fest in Axams wird Tiroler Berglamm gereicht.

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