Eisbaden

Eisbaden liegt im Trend – kaum zu übersehen auf Social Media, wo Influencer sich in eiskalte Gebirgsbäche, zugefrorene Seen oder einfach in Eiswannen stürzen. Anschließend schwärmen sie von körperlicher Fitness, mentaler Stärke und gleichzeitiger Entspannung. Selbst im eigenen Familien- und Bekanntenkreis finden sich immer mehr Anhänger dieses Trends. Meine Schwiegermutter beispielsweise, die an der Nordsee lebt, wagt sich selbst im Winter in ebendiese. Als jemand, der bei dem Gedanken an eine kalte Dusche schon Panik bekommt, war ich neugierig. Was ist dran an diesem Trend? Was muss man beim Eisbaden beachten? Für wen ist es geeignet? Ich traf mich daher mit Marie-Luise Müller, einer ausgebildeten Stressmentorin und Gesundheitsexpertin, die in unserem wunderschönen Innsbruck Workshops zum Eisbaden und Stressabbau anbietet.

Vom Profisport zur Selbstfindung: Neustart ohne Druck

Maries Karriere begann als professionelle Eiskunstläuferin, und wie das im Profisport eben so ist, stand sie unter enormem Druck, stets erfolgreich zu sein. „Mein Leben war durchgetaktet. Ich musste nie nachdenken, was ich machen möchte, das stand einfach immer fest: Schule, Training und Wettkampf“, erinnert sich Marie. Nach einer Verletzung war sie jedoch gezwungen, sich neu zu orientieren, was ihr anfangs allerdings schwerfiel. „Ich weiß noch, als mich Freunde fragten, ob ich mit zum Squash kommen wollte, und ich mir einfach nur dachte: Warum? Ist es effektiv und bringt mich das einem Ziel näher?“ Sie begab sich auf die Suche nach etwas, das für sie wahre Bedeutung hat. In dem sie nicht fehlerfrei und effektiv sein oder Topleistungen erbringen musste, sondern etwas, das sie einfach erfüllte - Sport im Einklang mit einem gesunden Körper, ohne Stress und ohne wahnsinnig hohe Anforderungen an sich selbst.

Vom hohen Norden in alpine Fluten

Maries Weg zum Eisbaden begann während eines zwei monatigen Aufenthalts in Norwegen, wo sie wild campierte. Ohne Dusche in der Nähe wusch sie sich im eiskalten Wasser von Bächen, Seen und Fjorden. Es war eine eisige Erfahrung, aber sie bemerkte schnell, welche Energie ihr das verschaffte. Das morgendliche Waschen im kalten Wasser wurde zum Ritual. „Ich fühlte mich so wach und voller Tatendrang,“ erzählt Marie,“ anfangs habe ich es auch abends gemacht, konnte danach aber schlechter einschlafen. Ich war einfach zu wach und energiegeladen.“ Während ihres Aufenthalts traf sie zufällig auf eine Gleichgesinnte. Zusammen mit ihrer neuen Freundin zelebrierte sie das eisige Bad. „Wir blieben so lange im Wasser, bis wir zu zittern begannen.“ Zurück in Innsbruck genoss sie anfangs die warme Dusche, spürte jedoch schnell, wie ihr der energetische Kick des kalten Wassers und die darauffolgende Entspannung fehlte.

Tipps von der Stressmentorin

Gott sei Dank gibt es rund um die Alpenmetropole genügend Möglichkeiten, sich in kalte Fluten zu stürzen. „Ich selbst versuche im Winter ein bis zweimal und im Sommer zwei bis dreimal wöchentlich Eisbaden zu gehen“, erzählt die studierte Gesundheitstrainerin. Ihr Fachwissen gibt sie bei ihren beliebten Workshops gerne weiter – dazu aber später mehr. Eisbaden soll ja auch dem Stressabbau dienen. Daher haben wir uns unter anderem über Stress unterhalten. Ein Thema, mit dem ich, wie wahrscheinlich viele, sehr zu kämpfen habe. Ich tue mich schwer zu entspannen. In meinem Kopf rattert es ständig. Wenn ich bei einer Sache bin, denke ich schon an die nächste. Es fällt mir oft schwer, mich zu konzentrieren. Dadurch fühle ich mich gestresst und überfordert. Es lag also auf der Hand, dass, wenn ich schon einmal eine ausgebildete Stressmentorin vor mir sitzen habe, genauer nachhake. Was kann man tun, um Stress zu vermeiden?

Prioritäten setzen

„Anti-Stress“ und „Stress ist schlecht“ sind innere Haltungen, die wir uns selbst auferlegen. Es beginnt damit, dass wir Stress gar nicht vermeiden können“, erklärt Marie. „Stell dir vor, dir wäre alles egal. Gut, dann würde dich nichts stressen, aber es hätte auch nichts eine Bedeutung. Sich zu stressen ist in Ordnung. Es geht einfach darum, damit umzugehen. Es gibt sogenannte Pushphasen im Leben, in denen man alles gibt, ausblendet und hart auf ein Ziel hinarbeitet – sei es ein wichtiger Wettkampf, eine Prüfung oder die langersehnte Beförderung. Wichtig ist nur, dass auf eine Phase der Anspannung die Entspannung folgt! Ein guter Anfang ist, sich über seine Prioritäten bewusst zu werden. Was ist mir im Leben wichtig?“ Das klingt für mich erst einmal sehr beruhigend. Ich bin froh, dass Marie so bodenständig und klar ist. Es tut gut zu hören, dass man kein erleuchtetes Wesen sein muss, das sich durchgehend im „Zen-Modus“ befindet. Es ist in Ordnung, sich auch einmal zu stressen, man muss nur die richtigen Tools für sich selbst finden, um damit umzugehen.

Entspannen durch Meditation

Wer nach solchen Werkzeugen sucht, kann neben dem Eisbaden auf jeden Fall Meditation ausprobieren (gerne in Kombination). Auch dieses Thema geht Marie ganz entspannt an. Auf meine Frage, ob man Meditations-Apps oder YouTube-Videos nutzen kann, antwortet sie schlicht: "Sicher, man kann alles ausprobieren und sieht dann, was einem gefällt und guttut." Ich bin begeistert von ihrer unaufgeregten, freundlichen Art. Im Vergleich zu manchen selbsternannten Lifecoaches und Achtsamkeitstrainer:innen, die behaupten, dass nur ihre Methode die einzige richtige ist, fühle ich mich bei jemandem wie Marie, der offen für verschiedene Wege und Ansätze ist, viel besser aufgehoben. Außerdem besitzt sie ein umfassendes Wissen und eine solide Ausbildung. Die Voraussetzungen könnten also nicht besser sein, um gemeinsam mit ihr zu meditieren und danach ins kalte Wasser zu springen.

Warum Eisbaden?

Zum Stressabbau, für den Energiekick, um sich besser zu spüren. Gründe, weshalb man das Eisbaden zumindest einmal ausprobieren sollte, gibt es viele. Ein wesentlicher Aspekt ist der gesundheitliche. Durch das kalte Wasser beim Eisbaden ziehen sich die Gefäße zusammen, das Blut zentriert sich, wodurch die inneren Organe wesentlich besser durchblutet werden. Eisbaden ist ein perfektes Herzkreislauftraining. Außerdem senkt es nachweislich die Entzündungswerte im Körper und stärkt das Immunsystem. Es soll (schlechtes) weißes Fett in (gutes) beiges umwandeln, wirkt stimulierend auf die Mitochondrien und ist ein gutes Achtsamkeitstraining.

Eisbaden ist grundsätzlich - mit nur wenigen Ausnahmen - für beinahe jeden möglich. Für die Teilnahme an einem Workshop mit Marie ist jedoch Volljährigkeit erforderlich. Personen, die gesundheitliche Bedenken haben, sollten unbedingt vorher mit einem Arzt sprechen. Dies gilt besonders für Menschen mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen oder Diabetes.

Gut vorbereitet

Zusätzlich sollte man sich auf das Eisbaden vorbereiten. „Ich empfehle kurze Kalt-Warm-Wechselduschen“, erklärt Marie. „Beginne unten beim rechten Fuß und arbeite dich die Beine nach oben hoch, dasselbe auf der linken Seite. Anschließend ist der rechte Arm dran – starte an der Hand und ende am Oberarm/der Schulter, dann folgt die linke Seite. Danach ist der Rücken an der Reihe und abschließend die Brust und der Bauch. Wichtig dabei ist konzentriertes Atmen. Ich empfehle zwei Sekunden ein- und zwei auszuatmen.“ An dieser Stelle möchte ich mich selbst ein wenig loben. Die kalte Dusche war für mich, wie eingangs erwähnt, bereits eine große Überwindung. Aber schon nach dem dritten Versuch habe ich festgestellt, wie es einfacher wird und man sich danach richtig gut fühlt.

Lieber mit der Expertin als alleine

Ich selbst habe bisher nur einmal ein Eisbad genossen – wenn man es überhaupt so nennen kann. Am Neujahrstag wagte ich mich für wenige Sekunden, ohne jegliche Vorbereitung, in den Baggersee. Es war zwar cool – im wahrsten Sinn des Wortes – aber von den bereits erwähnten Benefits habe ich nicht viel gespürt. Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, sich zumindest beim ersten Mal von einer Expertin wie Marie begleiten zu lassen. Das gemeinsame Eisbaden mit einer Gruppe von Gleichgesinnten ist mit Sicherheit ein wundervolles Erlebnis. "Ich beginne damit, den Teilnehmern Wissen zu vermitteln. Das dauert in der Regel zwischen 30 und 45 Minuten. Je nach Wetter und wie sich die Gruppe fühlt, folgen ein bis zwei Eisbadedurchgänge im Wechsel mit Meditationsübungen", erzählt Marie.

Safety First

Möchte man sich auf das Abenteuer des Eisbadens einlassen, sind einige wichtige Punkte zu beachten. Neben den bereits erwähnten gesundheitlichen Voraussetzungen und der empfohlenen Vorbereitung durch Wechselduschen ist es entscheidend, niemals alleine Eisbaden zu gehen. "Es handelt sich um eine absolute Extremsituation für unseren Körper. Kein Steinzeitmensch wäre jemals freiwillig ins eisige Wasser gestiegen. Wir handeln also gegen unseren eigentlichen Instinkt", erklärt Marie. Auch die Auswahl des Gewässers spielt eine bedeutende Rolle; es versteht sich von selbst, dass es kein reißender Fluss sein sollte. Auch allzu entlegene Orte sind nicht optimal. Ein absolutes No-Go ist es, einfach ins Wasser zu springen. Marie empfiehlt, unbedingt ruhig hineinzugehen.

Ich hoffe, ich konnte euch das Eisbaden etwas näherbringen. Auf jeden Fall hat Marie bei mir die Neugier geweckt, und ich werde es sicherlich erneut ausprobieren. Für Details zu ihren Workshops, was ihr dazu benötigt, wo und wann sie stattfinden schaut bitte auf ihre Website.

Informationen

Marie-Luise Müller, B.A.
E-Mail: office@marie-movement.com
Website
Instagram

Mehr Wellness und Entspannung in Innsbruck gibt es hier.

Auch meine Bloggerkollegen Monica und Chris haben interessante Geschichten zum Thema Wellness veröffentlicht.

Titelbild: © Marie-Luise Müller

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