Wegebereiter Mieming-53

Wenn Andi Schatz sich im Winter auf den Weg macht, wartet allerorts harte Arbeit. Stolze 250 Kilometer Loipen und Wanderwege gibt es am Mieminger Sonnenplateau, etwa 40 Busminuten westlich von Innsbruck. Und niemand kennt diese Wege wohl so gut wie der Mieminger Wegebereiter im Dienste von Innsbruck Tourismus. Welche täglichen Herausforderungen einem der Winter hier oben so mitgibt, durfte ich mit den ersten Schneefällen nun endlich einmal selbst erleben. Mein Ausflug in die stille Schönheit (s)einer außergewöhnlichen Schatzkammer.

Das kleine Tourismusbüro der idyllischen Mieminger Dorfgemeinde liegt nur wenige Meter von der Bushaltestelle beim Gemeindeamt. Alles ist hier angenehm überschaubar, selbst der Supermarkt am Dorfplatz wirkt noch wie ein Krämerladen von damals. Im einladend holzgefassten Infobüro begrüßen mich zweimal Theresa. Die dritte Infodame, ebenfalls Theresa, hat heute frei. Die angenehm dörfliche Stimmung erwischt mich derart sympathisch, dass ich mich zwischen Wanderbroschüren und Loipeninfos sofort „dahoam“ fühle. Sogleich wird auch Kaffee serviert, in der „Bürostubn“ nebenan, wo die rustikale Eckbank einfach auch als Schreibtisch dient. Dort steht Andi Schatz, konzentriert über eine riesige Karte gebeugt, fährt mit dem Finger die bunten Linien ab und plant den heutigen Arbeitstag. Sein Handschlag ist stark und schwer, in den Augen glüht schon wilder Arbeitseifer: Griaß di! Pack ma’s?

Dem Schnee sein Schatzmeister

Sakrisch kalt ist’s. Draußen knackt und klirrt der Winter. Bei dem Wetter jagt man echt keinen Hund vor die Tür. Aber ohne den Jack geht der Andi natürlich nirgendwo hin. Eine Handbewegung vom Herrl, und der Hund bezieht erwartungsfroh hechelnd auf der Rückbank Position. Schon im zarten Alter von zehn Jahren war der Andi hier kaum aus den Wäldern rauszukriegen, erzählt er. Inzwischen zählt der gelernte Landmaschinentechniker 32 Lenze und ist am Plateau der Fachmann für alles, was irgendwo mit Wegen zu tun hat. Von Mai bis September trifft man Jack und Andi darum fast ausschließlich in den Bergen, beim Instandsetzen der Wege und Steige, beim Brunnentröge-Reparieren, Bankln-Richten, Latschen-Schneiden (Latschen sind hochalpines, hüfthohes Buschwerk) und Sonnenliegen-Servicieren. Auch um die Radwege, den Alpinpark, die Spielplätze und Themenwege kümmert sich das Duo und arbeitet dabei oft eng mit der Gemeinde zusammen, man hilft sich gerne gegenseitig. Nur die Kletterrouten machen andere Profis, zwinkert der Bergfex, und Jack bellt bestätigend.

Sogar wenn Andi und Jack mal ganz privat unterwegs sind, werden grobe Kiesel aus dem Weg gekickt, wird prüfend an Weidezäunen gerüttelt oder ein Gatter inspiziert. Aber Andi beschwichtigt: Das gehört unter Wegebereitern einfach zum Berufsethos, da kommt man gar nicht aus. Den Dienstplan der beiden schreibt Mutter Natur höchstpersönlich: im Sommer nach einem Sturm die Lärchenäste aufräumen, im Winter mit dem Räumfahrzeug ausrücken – man muss nur entsprechend spontan und flexibel sein! Ärgern muss sich der Andi höchstens mal über manche Menschen – wenn wieder rot-weiß-rote Wandermarkierungen übermalt werden oder Schilder geklaut (die Sackgasse ist besonders beliebt), wenn Weidezäune beschädigt sind, Gatter nicht geschlossen werden oder ganze Wegweiser spurlos verschwinden. Nur dann ist der Job manchmal sehr mühsam, weiß der Wegemeister zu berichten.

Wenn Frau Holle Überstunden macht

Die Vorbereitungen für den Winter fangen schon im Oktober an, dann hilft auch der Manni aus Wildermieming mit, der den Schnee hier oben schon seit 30 Jahren kennt. Erst mal werden dann die schweren Maschinen aus dem Sommerschlaf geholt und für den Winter fit gemacht. Mieming setzt in Sachen Schnee übrigens komplett auf Nachhaltigkeit, maschinell beschneit wird hier oben nichts. In aperen (schneearmen) Wintern wird der Naturschnee einfach ganz altmodisch mit dem LKW aus höheren Lagen zur Loipe transportiert. Apropos Langlaufen: Heute liegen Loipensteher und -schilder auf der Ladefläche der Pickup-Pritsche, 1.200 Stück davon müssen Andi und Jack zu jedem Saisonstart aufstellen. Die Schneeketten haben die beiden zwar immer griffbereit, wirklich gebraucht wurden die dank Allrad aber noch nie, zwinkert der Andi.

Und apropos Schneekette: Der Winter 2018/19 war so schneereich, dass im Schneesturm das Spurgerät im Wald steckenblieb. Wenn du da nachts so ganz allein im Wald festhängst, vor und hinter dir die Bäume vom Schnee wie alte Zahnstocher knicken, da brauchst du schon einen motivierten Schutzengel, lacht der Wegemeister. Überstunden machen dann nicht nur Himmel und Holle, sondern auch der Andi: teilweise sieben Tage Dienst, nachts hält man vor der Webcam Wache, um drei und fünf Uhr morgens rückt man zum ersten Räumen aus. Abends gegen sieben hat dann zumindest der Hund Feierabend, zwinkert der Schneemann, ich komm’ dann nach.

Wo ein Wille …

… da sind bekanntlich Wege, weiß der Volksmund. Magentafarbene Schilder kennzeichnen die präparierten Winterwanderwege in Tirol, gleich vier davon kann man in Mieming genießen. Dass sich trotzdem immer wieder Wandernde auf die Loipen verirren, ist besonders mühsam, weil die Schritte dort tiefe Löcher hinterlassen, die dann in mühseliger Handarbeit repariert werden müssen. Ein bisschen Sisyphos ist das natürlich schon, aber das Feedback der Menschen passt zum Arbeitseifer des Andi Schatz: Ein Lächeln ist dann einfach der allerschönste Lohn! Dass ihm einmal jemand einen ganzen Hunderter Trinkgeld zugesteckt hat, wird er allerdings nie vergessen, das passiert dir nur einmal im Leben, freut sich der Wegebereiter. Nach Innsbruck ins Tal zieht es ihn tatsächlich nur selten, vielleicht mal zum Christkindlmarkt mit der Freundin, aber dem Andi wird der Trubel schnell zu viel. Viel lieber ist er doch hier oben in der Stille unterwegs, schmunzelt der Schatzmeister in die Wintersonne.

Fotos: Die Infobüro- und Werkstattbilder im Beitrag schoss der Autor. Das Titelbild, die brachialen Naturaufnahmen sowie sämtliche Action-Selfies am Loipengerät stammen vom Wegebereiter Andi Schatz und seinem treuen Wegbegleiter Jack.

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