Telfs von Pfaffenhofen aus gesehen

Die Bahnstation Telfs-Pfaffenhofen nennt nicht grundlos zwei Orte gleichzeitig. Beide sind seit Jahrtausenden wie Zwillinge miteinander verbunden. Spätestens nach dem Eroberungsfeldzug der Römer 16 und 15 vor Christus wurden sie mit einer Fähre über den Inn auch dauerhaft verbunden. Während in Pfaffenhofen vermutlich eine römische Raststation bestanden hatte, fungiert Telfs seit 2.000 Jahren als eine Art ‚Eingangspforte‘ zum Mieminger Plateau und in der Folge zum Fernpass. Diese Straßenverbindung wurde sogar noch von den Salztransporteuren des Mittelalters geschätzt. 

Was man heutzutage indes kaum mehr vermutet: Pfaffenhofen war damals eine Art ‚Hauptort‘ im Oberland. Am Abhang der heutigen Burgruine Hörtenberg bestand schon vor der römischen Eroberung eine große, eisenzeitliche Siedlung, am Trappeleacker befand sich ein Kultplatz, der über Jahrhunderte hinweg von den Menschen der Eisenzeit benützt worden war. Und im Hochmittelalter war Pfaffenhofen gar Sitz hochrangiger bayerischer Adeliger. 

Die Kirchen sind historisch-mystische Plätze

Heute sind es vor allem Kirchen, die die Geschichte dieser beiden Orte verkörpern. In Telfs sind dies St. Veit, St. Georg und St. Moritzen ganz im Westen des Ortes. Südlich des Inn steht die heutige Pfarrkirche von Pfaffenhofen auf einem einstigen römischen Gebäude und lässt kaum erahnen, dass dieser Platz einst von überregionaler Bedeutung war. Angeblich residierte hier nach dem Zerfall des römischen Kaiserreiches sogar ein Bischof.

Mein Vorschlag: Ein Spaziergang von St. Veit nach St. Moritzen und Pfaffenhofen

Ich beginne meinen ‚mystischen Spaziergang‘ durch diesen einstigen ‚Doppelort‘ in Telfs beim Kirchlein St. Veit. Um dorthin zu gelangen, benütze man den wahrhaft luxuriösen lokalen öffentlichen Verkehr der Marktgemeinde Telfs (https://www.telfs.at/tarife-fahrplaene.html) bis zur Sonnensiedlung. Von dort ist’s auf einem schönen Waldweg ein feiner Spaziergang zum Weiler St. Veit mit seinem gotischen Kirchlein. Es steht auf einem mystischen Platz unter der majestätisch aufragenden Hohen Munde – ein Berg, der für prähistorische Menschen mit Sicherheit eine Art Gottheit darstellte.

Kirche, Quelle und Steinkreis

Alte Kirchen stehen meist ganz und gar nicht zufällig in einer einsamen Gegend, teils weitab größerer Siedlungen. Das ist der Grund, weshalb ich mir auch hier die nähere Umgebung ganz genau angeschaut habe. Und tatsächlich: In unmittelbarer Nähe der Kirche entspringt eine Quelle, neben der sich ein Steinkreis befand. Weshalb ich das behaupte? Der Platz ist für Rutengänger und Pendler quasi ‚eindeutig‘. Der Standplatz der St.-Veit-Kirche ist für mich keine Überraschung, versuchten doch die Kirchenoberen im Mittelalter über Jahrhunderte hinweg, die einstigen ‚Steinkreis-Pilger‘ in ihre Kirchen zu locken. Also bauten sie sie neben oder gar über dem alten Heiligtum, damit diese ‚Umleitung‘ funktionieren konnte.

Sehenswert ist der Innenraum der St.-Veit-Kirche mit Secco-Malereien aus dem 16. Jahrhundert. Bemerkenswert ist ein St. Christophorus an der Westseite des Kircheninneren. Die Malerei hat eine Entsprechung in einem Außenfresko am Gasthof Stern in Ötz. Offenbar war da derselbe Meister zugange, es soll der Imster Maler Alexander Vischer gewesen sein.

Apropos Steinkreis: Beim Gasthof Lehen, kaum 500 Meter von St. Veit entfernt, wurde ein Steinkreis wiedererrichtet, wie er vor Tausenden von Jahren hier hätte stehen können. Ein Hinweis auf die mystische Vergangenheit dieser Landschaft? Man könnte es durchaus annehmen.

St. Georgen steht auf einem römischen Fundament

Mein nächstes Ziel ist ein weiterer ‚mystischer Winkel‘ in Telfs, nämlich die St. Georgskirche. Sie muss im Zusammenhang mit der Pfarrkirche von Pfaffenhofen gesehen werden. Beide Kirchen waren spätestens seit dem Einzug des Christentums am Ende des römischen Kaiserreichs im 6. Jahrhundert Fixpunkte größerer Siedlungen. An beiden Orten wurden germanische Kriegergräber gefunden, beiden Kirchen ist eine weitere Tatsache gemein: Sie stehen auf einstigen römischen Gebäuden. 

St. Moritzen und ein rätischer Opferplatz

Von der Georgskirche aus habe ich dann die Vinzenz-Gredler-Straße genommen, um nach St. Moritzen zu gelangen. Diese heutige Straße war jahrtausendelang der Ausgangspunkt des Aufstiegs auf das Mieminger Plateau und schlussendlich auf den Fernpass. Man kann sich heute noch leicht vorstellen, wie sich die Fuhrwerke hier hochquälen mussten. Noch vor Erreichen der ersten Geländestufe zweigt der Weg nach St. Moritzen ab. Ein Ort, der einst keinen wirklich guten Ruf besaß: Hier wurden 1634 die rund 200 Pesttoten aus Telfs begraben.

Viele werden sich fragen, was denn ‚Moritzen‘ bedeutet. Ganz einfach: Das Kirchlein ist dem Heiligen Moritz geweiht, einem schwarzafrikanischen Märtyrer in Diensten des römischen Kaiserreichs. Er wurde und wird in Frankreich als St. Maurice besonders verehrt. Hierzulande wurde er zu ‚Moritz‘, was auch den Ausdruck ‚Mohr‘ begründete, mit dem lange Jahre Menschen aus Schwarzafrika bezeichnet worden waren.

Es ist kein Zufall, dass das Kirchlein mit dem alten Pestfriedhof am westlichen Ortsrand von Telfs steht. Eine archäologische Ausgrabung hat belegt, dass in unmittelbarer Nähe schon seit 2.000 Jahren geopfert wird. Am sogenannten ‚Schlossbichl‘ wurde ein rätischer Opferplatz ausgegraben, der vermutlich aus dem 1. vorchristlichen Jahrhundert stammt. Was wiederum eindrucksvoll bestätigt, dass christliche und vorchristliche Kultplätze in Tirol oft neben-, vielfach sogar übereinander liegen.

Wer sich von St. Moritzen aus nach Pfaffenhofen auf den Weg macht, passiert auch die 1650 erbaute Kapelle der Moritzner Muttergottes. Die Marienfigur wurde früher am Tag ‚Mariä Namen‘ jeweils am 12. September in einer feierlichen Prozession in die Telfer Pfarrkirche gebracht. Wer die Treppen von der Kapelle weiter hochsteigt, erreicht die Kreuzigungsgruppe, von der man einen schönen Ausblick auf die Sellrainer Berge hat.

Pfaffenhofen war seit der Römerzeit ein Knotenpunkt

Man möchte es kaum glauben, aber Pfaffenhofen war einst der zentrale Ort im Oberland. Die Räter siedelten unterhalb der heutigen Burgruine Hörtenberg, nicht weit entfernt davon befand sich am Treppeleacker ein rätischer Brandopferplatz. Interessant ist die Tatsache, dass die Räter ihre Siedlung schon kurz nach der Eroberung Tirols durch die Römer offenbar verlassen hatten. 

Die Römer schätzten den Ort schon früh als Raststation auf dem Weg in Richtung Fernpass. Im 3. Jahrhundert nach Christus verbanden sie die Brenner- mit der Fernpassroute in Form der ‚Via Dacia‘, Pfaffenhofen nahm daher eine wichtige Rolle als Raststation ein. Kein Wunder, dass die Kirche auf einem römischen Gebäude steht. 

Schon im 6. Jahrhundert dürfte hier die erste Kirche erbaut worden sein. Denn das Christentum entwickelte sich vor allem entlang der alten Römerstraßen. Ein ‚Überbleibsel‘ dieser Zeit ist die Erzählung, wonach in Pfaffenhofen ein Bischof residiert hätte. Urkundlich ist das nicht nachzuweisen. Bekannt ist jedoch, dass Wanderbischöfe‘ damals nicht unüblich waren.

Pfaffenhofen ist ein gutes Beispiel dafür, wie ‚Wohl und Wehe‘ eines Ortes mit den Verkehrsströmen zusammenhängt. Mit dem Bau tragfähiger Brücken und vor allem dem Ausbau von Landesstraßen und Autobahnen sind verschiedene Orte geradezu ‚vertrocknet‘. Pfaffenhofen und Telfs haben es jedoch mit geschickter Gewerbeansiedlung geschafft, ihre einstmals wichtige Stellung zu halten und im Fall von Telfs sogar noch auszubauen.

Links

Zur Stellung von Pfaffenhofen und Telfs in der römischen Kaiserzeit bis ins frühe Hochmittelalter: Irmtraut Heitmeier, Das Inntal, Universitätsverlag Wagner Innsbruck, 2005

Die Ausgrabungen des Brandopferplatzes am Trappeleacker sind HIER beschrieben.

Die Ausgrabungen am Schlossbichl von Telfs sind HIER näher erläutert.

Mehr zu den Fresken in St. Veit habe ich der Diplomarbeit von Helga Hofer entnommen: Die Wandmalereien der St. Veits-Kirche in Telfs“, Telfs 1992

Wen die Sagen aus Telfs interessieren, sie sind auf der Website der Marktgemeinde Telfs abzurufen: https://www.telfs.at/telfer-sagen.html

Zwei meiner Blogs beschreiben die Salzstraßen ins Oberland: Die Untere Salzstraße von Innsbruck nach Telfs und die Historische Salzstraße zwischen Inzing und Pfaffenhofen

Alle Fotos: © Werner Kräutler

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