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Seit einigen Jahren bietet das Innsbrucker Stadtarchiv/Stadtmuseum unter dem Titel „Stadtarchiv findet Stadt“ Themenführungen an. Dieses Mal ging es mit dem Kunsthistoriker und Autor Anton Prock durch die Herzog-Friedrich-Straße. Einst pulsierende Hauptverkehrsader Innsbrucks, heute Hauptflaniermeile in der Altstadt, erzählt sie viel über die Stadtgeschichte.

Inntor

Vom Treffpunkt Stadtarchiv/Stadtmuseum geht es gleich zum nördlichen Eingang der Herzog-Friedrich-Straße. An der Hauswand vis-à-vis der Ottoburg findet sich jene Tafel, die an das 1790 abgetragene Inntor erinnert. Um den Markt von der nördlichen Seite des Inns (im heutigen St. Nikolaus/Mariahilf) zu erweitern, tauschten die Grafen von Andechs Besitzungen mit dem Stift von Wilten und erhielten Gründe südlich des Inns, die sie mittels einer Brücke mit dem Nordufer verbanden. Die Stadterhebung erfolgte zwischen 1187 und 1204.

Andechshof

Fünf Tore ermöglichten den Zugang in die Stadt: das Inntor, das Georgs- oder Vorstadttor zur heutigen Maria-Theresien-Straße hin, das Trenkertörl in der Badgasse, das Rumer- bzw. Saggentor in der Hofgasse sowie das Frauen- bzw. Pickentor zum Innrain. 1790 wurde der Stadtgraben zugeschüttet. Auf der Tafel sieht man links vor dem Inntor die „Fleischbank“. In diesem auf Pfählen ruhenden Holzgebäude wurden Tiere geschlachtet. „Jene Teile, die man nicht brauchte, entsorgte man gleich in den Inn“, erzählt Prock.

Im unmittelbar an das Tor anschließenden Gebäude residierten die Grafen von Andechs. Die Andechsburg diente als Fürstenresidenz, bis Friedrich IV., vielen als „Friedl mit der leeren Tasche“ bekannt, den Sitz in den „Neuhof“ verlegen ließ. Dessen markantestes Element ist heute das Goldene Dachl.

Claudiana

Schon geht es wieder retour zum Innenhof des Palais Claudiana. Benannt nach der Landesfürstin Claudia de Medici, diente das Palais lange als Regierungsgebäude der Tiroler Landesregierung. Weniger bekannt: Die Porträtköpfe von Fürstinnen und Fürsten an der Fassade des Gebäudes dienten als „Vorlage“ für die „Schwarzmander“ am Grab Maximilians I. in der Kaiserlichen Hofkirche. Ein Blick nach oben zahlt sich also aus. Da, wo heute ein relativ unscheinbares gelbes Gebäude an der Ecke Kiebachgasse/Herzog-Friedrich-Straße steht, befand sich einst das „Ballhaus“. Hier lagerten Händler ihre Waren und fanden im ersten Stock große Bälle statt.

Goldener Adler

Besonders viele Geschichten hat das Gasthaus Goldener Adler zu erzählen. Das gemalte Maßwerk an der Fassade zeigt an, wie hoch das Gebäude ursprünglich war: Erdgeschoß plus zwei Etagen, erst später wurde es aufgestockt. Zahlreiche bekannte Namen finden sich auf der marmornen Gästeliste unter dem Gewölbe, Andreas Hofer residierte in diesem Haus. Seine Ansprache an die Innsbrucker Bevölkerung ist ebenso auf einer Tafel verewigt, wie an der Außenmauer eine Abbildung des Heiligen Georg zu finden ist, Landespatron Tirols bis 1772 und, und, und … Schon geht es weiter zum Goldenen Dachl, mit dessen Erzählungen sich mein Blogger-Kollege Werner Kräutler eingehend befasst hat. Nicht zu vergessen das Helblinghaus, das jedem allein schon wegen seiner Fassadengestaltung ins Auge springt.

Inn-Salzach-Bauweise

Prock verweist auf die Bauweise der Innsbrucker Altstadt, die dem Inn-Salzach-Baustil verpflichtet ist – zu finden insbesondere zwischen Innsbruck, Passau und Hallein. Durch Scheinfassaden vor dem Dach bilden mehrere Häuser ein Ensemble. Weiteres zentrales Merkmal: eine nach oben gezogene Häuserfront, die gern das eigentliche Dach versteckt, wodurch das Gebäude größer und markanter wirkt. Kennzeichnend auch Graben- oder Muldendächer, bei denen die Dachgiebel nicht in der Mitte des Hauses, sondern „verschoben“ sind. Besonders auffällig etwa der Treppengiebel links des Stadtturms, in dessen Innenhof es – noch – angenehm ruhig ist.

Erfrischendes Nass

Der mehrmals umgestaltete Turm war Arbeitsstätte und Wohnort des Turmwächters. Tag und Nacht hielt er Ausschau, um die Einwohner und Einwohnerinnen bei herannahenden Unwettern und Bränden zu warnen. Im Hof findet sich auch einer der insgesamt acht Trinkwasserbrunnen der Altstadt. Wobei der Trautson-Brunnen in der Herzog-Friedrich-Straße nicht nur der auffälligste ist, sondern auch als einziger noch am originalen Platz steht.

Wie ein Blick auf die Gebäudefassaden lohnt sich einer an die Decken der Lauben, die sich links und rechts der Herzog-Friedrich-Straßen unter den Häusern entlangziehen. Beim Eingang zu einer bekannten amerikanischen Fast-Food-Kette findet sich der Quaternionenadler. Er galt als DAS Symbol für die Einheit des Heiligen Römischen Reiches, seiner Länder, Landstände und natürlich der Kirche.

Vorstadttor

Nach wirklich kurzweiligen 1,5 Stunden Reise durch die Geschichte Innsbrucks stehen wir am Vorstadttor (Spitalstor). Maria Theresia von Österreich ließ es – samt dem Zollhäuschen – 1765 abreißen. Unmittelbarer Anlass war die Hochzeit ihres Sohnes Leopold, später Kaiser Leopold II., und der spanischen Prinzessin Maria Ludovica. Steinquader des abgebrochenen Vorstadttors dienten als Fundament der monumentalen Triumphpforte, die zur Begrüßung des Brautpaares errichtet wurde. Die Triumphpforte lag einst an der Grenze des gewachsenen Innsbrucks zu Wilten – ein weiteres Kapitel der Innsbrucker Stadtgeschichte, das sich bei einem Spaziergang durch die Maria-Theresien-Straße erzählen ließe.

Stadtspaziergänge „Stadtarchiv findet statt“

Termine 2023:
16. September, Graffitis – von der „Schmiererei“ zur Kunstform, mit Albi Dornauer

14. Oktober, Innsbruck im Flugfieber – vor 111 Jahren in der Höttinger Au, mit Tanja Chraust

11. November, Polizeiarchiv – Blitzlichter auf die Innsbrucker Polizeigeschichte, mit Peter Hellensteiner

Für alle Veranstaltungen ist eine Anmeldung notwendig, Veranstaltungskarten erhältlich an der Museumskassa! Achtung: begrenzte Teilnehmerzahl!

Alle weiteren Infos:
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Badgasse 2
6020 Innsbruck
Tel. +43 512 5360 1400
post.stadtarchiv@innsbruck.gv.at
www.innsbruck.gv.at

Buchtipp: Anton Prock, Innsbrucker Stadtspaziergänge. Geschichte und Kunst hautnah erleben, Tyrolia Verlag, 2022

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

Header-Bild: © Innsbruck Tourismus/Markus Mair

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